Partizipative und integrierte Fabrikplanung

Neubau für Bruker Daltonik

Quelle: dörr Architekten

Partizipative und integrierte Fabrikplanung

Die Zusammenarbeit zwischen Projektplanern und Architekten führt erfahrungsgemäß zu einer verkürzten Projektdauer und verbesserten Planungsergebnissen. Das zeigen zwei Projekte der Abteilung Fabrikplanung und Produktionsmanagement mit dörr Architekten für die Bruker Daltonik GmbH und die Hain Lifescience GmbH.

Veröffentlicht am 7.10.2021

Lesezeit ca. 7 Minuten

Neuplanung bei Bruker Daltonik

Die Unternehmen der Bruker Corporation sind weltweit führende Hersteller analytischer Mess-Systeme. Massenspektrometer, analytische Trennsysteme sowie mobile Detektoren entwickelt, produziert und vertreibt die Bruker Daltonik GmbH am Bruker Daltonik Campus in Bremen. Die Produktions- und Logistikstrukturen waren in den bestehenden Gebäuden historisch gewachsen. Entsprechend erzwangen die beengten Räumlichkeiten Kompromisse. Diese Umstände machten es unmöglich, die erheblichen Wachstumschancen im Markt zu nutzen und damit einhergehende Mengensteigerungen am bestehenden Standort abzubilden.

Um den Produktions- und Logistikbereichen Platz für Wachstum zu schaffen und gleichzeitig anderen Kernbereichen wie Forschung und Entwicklung den notwendigen Raum zu lassen, entschied Bruker Daltonik, die Produktion an einen neuen Standort in der Umgebung zu verlagern.

Dieser Schritt machte es möglich, die gesamten Fabrikstrukturen neu zu konzipieren und die notwendigen Flächen bereitzustellen. Einem Wachstum stand damit nichts mehr im Wege.

Um die Ergebnisse der Produktionsplanung schnell für die neuen Gebäude und Flächen umzusetzen, bezog Bruker Daltonik bereits vor Projektstart die dörr Architekten GmbH in die Planungen ein – und mit ihnen die Fabrikplaner des Fraunhofer IPA.

Im Frühjahr 2020 startete die Fabrik- und Gebäudeplanung mit der Zielfestlegung und Grundlagenermittlung, wurde aber nach Abschluss der Wertstromanalyse jäh unterbrochen – Corona hatte Deutschland fest im Griff. Damit standen sowohl Bruker und das Architektenteam als auch das Fraunhofer IPA vor der schwierigen Frage: Wie sinnvoll weiterarbeiten?

Nach einer pandemiebedingten fast zweimonatigen Unterbrechung ging die Planung mit einem gemeinsamen Workshop remote weiter. Inzwischen war die Auswahl eines Fabrikstandorts für die zukünftige Produktion getroffen.

Ziel war es, die notwendigen Informationen und Abstimmungsergebnisse zu erarbeiten, die künftigen Remote-Workshops als Grundlage dienen sollten. Gleichzeitig wurde der Workshop als Startpunkt für die synchronisierte Planung der Materialflüsse und des Gebäudes genutzt. Die kontinuierliche Abstimmung und Vernetzung der Planungsbeteiligten sowie die Spiegelung der jeweiligen Anforderungen hat dabei effizient auf die Variantenplanung hingeführt. Mit fortschreitender Detaillierung konnten alternative Layout-Varianten entwickelt werden. Auf diese Weise gelang es schließlich, gemeinsam die bestmögliche Lösung zu identifizieren.

Trotz der Corona-Einschränkungen während der Projektlaufzeit konnte ein für alle Beteiligten sehr zufriedenstellendes Ergebnis erreicht werden. Dabei war insbesondere der partizipative Planungsansatz, der die jeweiligen Fachbereiche stark einbezogen hat, ein wichtiger Erfolgsfaktor. So konnten etwaige Unschärfen in der Datengrundlage und Herausforderungen auf Grund der räumlichen Trennung effizient überwunden werden. Die enge Abstimmung mit den Architekten ermöglichte darüber hinaus kurzzyklische Planungsiterationen und umsetzungsnahe Fabrikkonzepte. Insbesondere das gemeinsame Verständnis der Ziele und Gestaltungspotenziale trug zum Erfolg des gemeinsamen Projekts bei.

»Planung auf Augenhöhe«

Ein Interview mit Peter Dörr von der dörr Architekten GmbH. Die Fragen stellte Hans Reinerth für interaktiv.

Als Fabrikplaner machen wir häufig die Erfahrung, dass die konstruktive Zusammenarbeit zwischen Produktionsplanern und Architekten zu einer verkürzten Projektdauer und verbesserten Planungsergebnissen führt. Wie sieht Ihre Erfahrung aus, Herr Dörr?

Wir sehen das genauso und unsere Erfahrungen bisher spiegeln genau das wider. Sowohl in der Produktionsplanung wie auch in der Gebäudeplanung ist die Grundlagenermittlung und die bedarfsorientierte Strukturplanung der Grundstein zu einem optimalen Planungsergebnis. In beiden Disziplinen geht es um die Planung von Abläufen, Beziehungen unterschiedlicher Funktionsbereiche und deren Wechselwirkung.

Bei einer Fabrikplanung handelt es sich um eine dynamische Planung. Das Raumprogramm kann sich während des Planungsprozesses je nach Produktionslayout beständig ändern. Dies hat die Gebäudeplanung zu berücksichtigen und strukturell zu begleiten. Durch die konstruktive Zusammenarbeit können optimierte und ganzheitliche Lösungen erarbeitet werden, bei denen die Belange und die Anforderungen der jeweiligen Planung entsprechend gewichtet vertreten sind.

Die transparente Kommunikation und die frühzeitige Identifikation potenzieller Störfaktoren des Genehmigungsverfahrens hat unsere Planung deutlich beschleunigt und das endgültige Layout stark beeinflusst. Wie schätzen Sie die Vorteile der synchronisierten Planung aus baulicher Sicht ein?

Die synchronisierte Planung bietet der Gebäudeplanung die Möglichkeit, schon sehr früh im Planungsprozess nicht nur die potenziellen Störfaktoren zu identifizieren, sondern auch wirtschaftliche Gebäudestrukturen in den Planungsprozess der Produktionsplanung einzuspielen.

So sind wir in der Lage, gemeinsam mit dem Auftraggeber einen gesamtwirtschaftlichen Abwägungsprozess zwischen den unterschiedlichen Produktionsabläufen und den Investitionskosten in Gebäude und Infrastruktur frühzeitig durchzuführen. Somit kann das Gesamtprojekt rechtzeitig ausgerichtet werden und zu einem deutlich beschleunigten Planungsprozess beitragen.

Die Projektergebnisse und die Art und Weise unserer Zusammenarbeit wurden fast übergangslos in einer zweiten Zusammenarbeit fortgesetzt. Welche Gemeinsamkeiten beziehungsweise Unterschiede sehen Sie zwischen beiden Projekten?

Portrait Peter Dörr
Peter Dörr (Quelle: dörr Architekten)

In beiden Projekten hat unsere Zusammenarbeit die Grundlagen für den Entscheidungsprozess zur Standortbestimmung geliefert. Die Produktionsprozesse wurden ebenso grundlegend auf ihre Potenziale hin analysiert wie auch die Potenziale der bestehenden Gebäudestrukturen. Diese Grundlagen führten einmal zu einer Standortverlagerung und im anderen Fall zu einer geplanten Umstrukturierung und Erweiterung des bestehenden Standortes.

Bei dem Folgeprojekt besteht die gemeinsame Herausforderung darin, die richtigen Antworten auf die noch sehr schwer abschätzbaren mittel- und langfristigen Marktentwicklungen zu geben. Hierbei sind Strukturen zu entwickeln, die ein sehr fein zu dosierendes und angepasstes Wachstum ermöglichen.

Durch die enge Zusammenarbeit und die sehr strukturierte Produktionsplanung des Fraunhofer IPA in beiden Projekten, können wir auf verlässliche und mit dem Auftraggeber verifizierte Anforderungen aufbauen und gemeinsam eine passende Gebäudestruktur weiterentwickeln.

Wie sollten Kooperationen in Fabrikplanungsprojekten gestaltet sein, um möglichst effizient und erfolgreich zu sein?

Die Kooperationsbereiche sollten von Beginn an möglichst umfassend die benötigten Disziplinen an der gemeinsamen Planung beteiligen. Denn Fragestellungen und Lösungsansätze interdisziplinär zu beleuchten ist notwendig, um eine optimale und effiziente Lösung herauszuarbeiten. Außerdem sorgt ein regelmäßiger und geregelter Austausch der Planungsbeteiligten für einen verbindlichen Planungsprozess und belastbare Zwischenergebnisse, die dem Kunden die Möglichkeit geben, die Zielsetzungen bei Bedarf rechtzeitig nachzujustieren.

Aber ganz grundsätzlich sollten alle Beteiligten die entsprechende Neugierde und das uneingeschränkte Interesse an den Planungsinhalten, Vorgehensweisen und Lösungsansätzen der beteiligten Planungspartner haben. Damit entsteht eine Planung auf Augenhöhe, die sich gegenseitig bereichert und belastbare Lösungen in kurzer Zeit, oder wie wir es im letzten Jahr erlebt haben, unter ständig wechselnden Rahmenbedingungen erarbeitet.

Vielen Dank für das interessante Gespräch. Ich freue mich auf unser nächstes Projekt.

Umgestaltung der Produktion und Logistik bei Bruker Hain

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Hain Lifescience GmbH zu einem führenden Anbieter im Bereich der molekularen Diagnostik entwickelt. Diese Entwicklung war verbunden mit einem Wachstum in allen Bereichen der bestehenden Strukturen am Standort Nehren. Nicht zuletzt zeigte die Corona-Pandemie und die damit verbundene Nachfrage an diagnostischen Produkten und Testsystemen die Grenzen der bestehenden Strukturen auf und zwang die Verantwortlichen, schnell zu handeln. Ziel war es, das Unternehmen auf die sich ändernden Bedingungen und zukünftigen Anforderungen vorzubereiten. Um die Mitarbeiter und Strukturen auch kurzfristig zu entlasten, wurde die Entscheidung für eine Umgestaltung der internen Produktions- und Logistikprozesse mit Hilfe der Wertstrommethode getroffen. Dieser Schritt schuf die Grundlage und den zeitlichen Rahmen für eine mittelfristige Erweiterung am Standort, die wiederum die guten Wachstumschancen im Markt langfristig gewährleisten soll.

Wie schon bei der Muttergesellschaft, der Bruker Daltonik GmbH, wählte auch im Rahmen dieses Projekts das Architekturbüro dörr die bewährte Konstellation mit dem Fraunhofer IPA zur integrierten Fabrikplanung aus.

Aufgrund des ambitionierten Zeitplans entschieden sich die verantwortlichen Planer bereits zu Beginn des Projekts für einen partizipativen und integrierten Planungsansatz. Nach dem Kick-off stellten die Partner ein gemeinsames Projektverständnis her und parallelisierten die Aktivitäten der Architektur- und Fabrikplanung, um möglichst effizient adäquate Lösungen zu erarbeiten. Die kontinuierliche Abstimmung war dabei eine Grundvoraussetzung, um gemeinsam das definierte Planungsziel zu erreichen. So konnten von Seiten der Architektur wichtige Voraussetzungen geschaffen und Fragen zur Umsatzbarkeit verschiedener Konzepte geklärt werden. Der Fabrikplanung war es dadurch möglich, mit einer vollständigen Liste der wichtigsten Rahmenbedingungen und Restriktionen in die Realplanung zu starten und die wirtschaftlich umsetzbaren Lösungen ins Auge zu fassen. Auch im Rahmen der Realplanung konnten die erarbeiteten fabrikplanerischen Konzepte mit Hilfe von wöchentlichen Sprints stets auf ihre Umsetzbarkeit in den gegebenen Gebäudestrukturen überprüft werden.

Darüber hinaus trug die enge Abstimmung aller Planungsbeteiligten dazu bei, die kurzfristigen Maßnahmen so zu planen, dass sie Hand in Hand mit den geplanten mittelfristigen baulichen Erweiterungen am Standort funktionierten. So wurde ein phasenweiser Umsetzungsplan entwickelt, der die kontinuierliche Erweiterung des Standorts ermöglicht und gleichzeitig eine reibungslose Produktion mit möglichst geringen Einschränkungen gewährleistet.

Ihre Ansprechpartner

Hans Reinerth, MBA

Mitarbeiter der Gruppe Fabrikplanung und Wertstromdesign
Telefon: +49 711 970-1981

M.Sc. Christoph Leipoldt

Mitarbeiter der Gruppe Fabrikplanung und Wertstromdesign
Telefon: +49 711 970-1129