Technologien für die industrielle Demontage von Batteriemodulen und E-Motoren

Demontageroboter

Entwickelter Demonstrator am Fraunhofer IPA. (Quelle: Fraunhofer IPA/Foto: Rainer Bez)

 

Technologien für die industrielle Demontage von Batteriemodulen und E-Motoren

Elektromobilität ist im Aufwind. Umso wichtiger wird in Zukunft ein wirtschaftlicher, sicherer und nachhaltiger Umgang mit den ausgedienten elektrischen Komponenten Batterie und Antriebsstrang. Daran arbeitet das Fraunhofer IPA mit zwölf Verbundpartnern im Forschungsprojekt »DeMoBat«.

Veröffentlicht am 15.12.2022

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Das leise Summen, das das bisherige, laute Geräusch eines Verbrennungsmotors ersetzt, ist zunehmend häufiger auf unseren Straßen zu hören: Während vor zehn Jahren lediglich 4541 Elektroautos auf Deutschlands Straßen fuhren, waren es im Mai 2022 bereits rund 687 000, wie Zahlen des Kraftfahrtbundesamts belegen. Tendenz steigend. Das heißt gleichzeitig, dass es in den kommenden Jahren immer mehr ausgediente elektrische Komponenten geben wird, mit denen die Abfall- und Recyclingwirtschaft umgehen muss. So hält beispielsweise ein Batteriemodul eines E-Autos im Schnitt etwa zehn Jahre. Derzeit werden die ausgedienten Batteriemodule überwiegend geschreddert, obwohl sie wertvolle Rohstoffe enthalten, die weiterhin nutzbar wären. Grundvoraussetzung für eine Wiederverwendung ist, dass die Bestandteile einer Batterie sortenrein demontiert werden können.

Seit Ende 2019 arbeiten zwölf Partner im Forschungsprojekt »DeMoBat« an neuen Konzepten und Technologien, um die elektrischen Komponenten so handhaben und aufbereiten zu können, dass möglichst wenig Abfall entsteht und wenig verwendete Rohstoffe verloren gehen. Stattdessen könnten noch intakte Komponenten beispielsweise in Photovoltaik-Zwischenspeichern genutzt oder als aufbereitete Ersatzteile in E-Fahrzeugen verbaut werden. Gerade für Baden-Württemberg, das sehr stark von der Automobilindustrie geprägt ist, ist ein solches Forschungsvorhaben entscheidend, weshalb die Förderung auch vom dortigen Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft übernommen wurde.

Um die übergeordneten Projektziele zu erreichen, nämlich mehr Nachhaltigkeit im Umfeld der Elektromobilität, die Sicherung wirtschaftsstrategischer Rohstoffe und die Stärkung des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg und Deutschland, bedarf es eines ganzheitlichen Ansatzes.

Roboter durchtrennt ein Kabel
Entwickeltes Werkzeug zum Abtrennen von Kabeln. (Quelle: Fraunhofer IPA/Foto: Rainer Bez)

Ganzheitliche Modellierung und Analyse der Demontagetätigkeiten in der Kreislaufwirtschaft

Im Forschungsprojekt werden deshalb die Rahmen- und Marktbedingungen sowie mögliche Fabrik- und Netzwerkstrukturen für Demontagetätigkeiten in mehreren Teilschritten erfasst, modelliert und analysiert. Da insbesondere für Traktionsbatterien in naher Zukunft neue rechtsverbindliche, teilweise sehr weitreichende Regelungen durch die EU-Batterieverordnung in Kraft treten, wird zudem untersucht, welche Batteriedaten für verschiedene kreislaufwirtschaftliche Nutzungswege benötigt werden und welche verfügbar sind.

Neben der ökonomischen Bewertung adressiert das Projekt auch die weiteren Dimensionen der Nachhaltigkeit und Demontage. Zum einen wurde ein Zielsystem für Traktionsbatterien entwickelt, das soziale, ökologische und ökonomische Kennzahlen der Demontage zusammenführt. Zum anderen wurde ein Modell einer möglichst ökologisch und ökonomisch nachhaltigen Demontagefabrik durch ein Multi-Methoden-Simulationsmodell mit integrierten Optimierungsentscheidungen entwickelt, das vollautomatische Demontage abbildet.

Recycelfreundliches Design

Zudem befasst sich das Forschungsteam damit, wie ein Batteriemodul gestaltet sein soll, damit es sowohl manuell als auch roboterbasiert reparier- beziehungsweise demontierbar und somit recycelfähig ist. Im Falle einer möglichen automatisierten Lösung sollte diese auch skalierbar sein. Einige Hürden gilt es, technologisch zu meistern, da aufgrund der zahlreichen Automarken und Modelle die Batteriemodelle variieren oder die Bauweise aktuell oft noch ungünstig für ein Recycling oder alternative Kreislaufwirtschaftsstrategien ist. Ein Ergebnis im Projekt ist eine Handlungsempfehlung für ein recycelfreudiges Design. Damit wurde bereits im CAD-System eine Batterie designt, die im virtuellen Demonstrator angeschaut werden kann.

Testen und Handhaben

Ein Teilaspekt widmet sich dem Testen des Moduls und seiner Handhabung, also wie sich dieses öffnen lässt und wie sich einzelne Komponenten entnehmen oder austauschen lassen. Beim elektrischen Testen steht im Fokus, welche Kapazität die Zellen beziehungsweise Packs noch haben und ob sie Alterserscheinungen aufweisen. Auch Temperaturanalysen können hier einfließen. Für die Handhabung entsteht ein roboterbasierter Demonstrator. Es werden zudem Werkzeuge benötigt, die beispielsweise Objekte greifen und Schrauben und andere Verbindungen lösen und gegebenenfalls abführen können.

Roboter löst Schrauben
Entwickelte Roboterlösung für das Lösen von Schrauben. (Quelle: Fraunhofer IPA/Foto: Rainer Bez)

Dies erfordert auch eine leistungsstarke Bildverarbeitung, die eine Vielzahl an Schrauben, Kabeln und weiteren Komponenten erkennen können muss. Hinzu kommt, dass die Bauteile nicht immer gut erkennbar sind, beispielsweise wenn sie verrostet sind. Rund 25 Technologien sind in »DeMoBat« konzeptioniert und getestet worden, von denen dann acht vollumfänglich als Demonstrations- und Erprobungsroboterwerkzeuge aufgebaut wurden und für den industriellen Dauerbetrieb einsetzbar wären. Dazu gehören Spannwerkzeuge, eine Deckelhandhabung, ein Werkzeug zum Trennen von Fugen, ein Entschraubewerkzeug, verschiedene Modulgreifer sowie ein Vermessungswerkzeug. Mit dieser Vielfalt an Technologien können die Partner auch über die Projektlaufzeit hinaus Machbarkeitsdienstleistungen rund um das Thema »Roboterbasierte Demontage« anbieten. Das Interesse vonseiten der Industrie ist bereits vorhanden.

Im Projekt werden zudem die einzelnen Batteriemodule bis auf Zellebene demontiert und die extrahierten Zellen weiteren Recyclingprozessen zugeführt. Basierend auf den Ergebnissen der manuellen Demontage wurde ein Konzept für ein flexibles Demontagesystem entwickelt und umgesetzt. Für die verschiedenen Bauteilverbindungen innerhalb der Module sind Endeffektoren wie Modulgreifer und Kleinteilegreifer entstanden und getestet worden.

Um den Gefahren der Demontage Rechnung zu tragen, ist ein Sicherheitskonzept ein weiteres Ergebnis dieses Teilprojekts. Hierbei nutzen die Projektpartner insbesondere die Temperatur als möglichen Indikator für einen sogenannten »Thermal Runaway«, also eine eventuelle Kettenreaktion, sollte eine Batterie in Brand geraten. Das aufgebaute und in Betrieb genommene Demontagesystem wird für das im Projekt vorliegende Batteriemodul den Proof-of-Concept einer sauberen Demontage liefern und die erfolgreiche Extraktion von Zellen aufzeigen.

Wasserlösliche Wiederverwendung chemischer Rohstoffe

Die Partner streben zudem an, einen effizienten Wertschöpfungskreislauf zu etablieren, der zunächst durch mechanische Trennung und Rückführung der im Batteriepack enthaltenen Bestandteile erfolgen soll. Das eingesetzte wasserbasierte Recycling ist eine neuartige Form der direkten Wiedergewinnung von Schwarzmasse. Neben einer teilautomatisierten Öffnung und Separierung der Zellbestandteile wird ein Hochdruckwasserstrahl eingesetzt, um die Elektrodenbeschichtung von den Trägerfolien abzulösen. Die durchgeführte ökobilanzielle Untersuchung verdeutlicht den Effizienzgewinn: Das Treibhauspotenzial verringerte sich um den Faktor 10 bis 20. So können Rezyklate mit geringem CO2-Fußabdruck bereitgestellt werden, was bei hoher Beimengung die produktionsbezogenen Treibhausgasemissionen bedeutend reduziert. Um die chemischen Eigenschaften sowie die Güte des kathodischen Aktivmaterials zu bewerten, wird das Recyclingprocedere durch materialseitige Untersuchungen und Charakterisierungen analytisch begleitet. Aktuell ist allerdings noch offen, wie viele Gewichtsprozente des Rezyklats ohne größere Einbußen der Zellperformance direkt einsetzbar sind.

Automatisierte Demontage von elektrischen Antriebsaggregaten

Außerdem werden Technologien für Industrieroboter mit spezialisierten, selbstkonstruierten Werkzeugen entwickelt, mithilfe derer elektrische Antriebsaggregate automatisiert demontiert werden können. Unterstützende Bildverarbeitungssysteme identifizieren Schrauben und Bauteile und können die robotergeführten Werkzeuge daraufhin präzise ansetzen. Dies ermöglicht höchstmögliche Flexibilität und Präzision im Demontageprozess und erspart insbesondere das manuelle Teachen der Roboter für jeden einzelnen Prozessschritt. Um Kollisionen des Roboters mit nicht oder unvollständig demontierten Bauteilen zu verhindern, erfolgt nach jedem Demontageschritt eine Erfolgskontrolle über Sensoren und 3D-Kamerasysteme. Eine anschließende Signalübertragung an die zentrale Prozesssteuerung gewährleistet einen sicheren Prozessablauf.

Starker Wissens- und Technologietransfer

Die in »DeMoBat« entwickelten Technologien bilden die Grundlage für den Aufbau eines Erprobungszentrums. Darin wird es einen Showroom geben, in dem neue Formen der Batterieproduktion entwickelt und getestet werden können, aber auch das Recycling von E-Komponenten weiterentwickelt wird. Anvisierte Themen sind beispielsweise Testszenarien für Akkus oder das verbesserte Wiederaufbereiten der Schwarzmasse.

Ergänzend zu den technologischen Entwicklungen ist im Rahmen des Projekts eine Vielzahl an wissenschaftlichen Veröffentlichungen entstanden. Auch ein Folgeprojekt ist bereits bewilligt, ein weiteres beantragt. Mit dieser anwendungsorientierten Forschung rund um das Thema E-Komponenten für Autos trägt das Projekt dem essenziellen Technologietransfer Rechnung, mithilfe dessen Baden-Württemberg wie auch Deutschland beim Thema E-Komponenten-Recycling in eine Spitzenposition gebracht werden sollen.

Zur Stärkung des Wissenstransfers wird zudem eine virtuelle Plattform mithilfe von Virtual Reality erstellt, die die in der Projektlaufzeit entstehenden Demontageanlagen erlebbar macht. Die kinematisierten Modelle werden für VR-Brillen optimiert. Weil die nötige Hardware im Consumer-Bereich noch nicht weit verbreitet ist, wird es ebenso möglich sein, die Demontageanlagen aus der Ich-Perspektive, wie sie zum Beispiel in PC-Spielen üblich ist, am Computermonitor zu erleben. Eine Zielgruppe ist die breite Öffentlichkeit, um die Technologieoffenheit zu steigern. Eine weitere Zielgruppe sind Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft.

Ihr Ansprechpartner

M.Sc. Sabri Baazouzi

Mitarbeiter der Gruppe Simulation und Optimierung
Telefon: +49 711 970-1573