Gleichstrom als Enabler der Energieflexibilisierung

Schaubild DC-Netz

Quelle: Fraunhofer IPA

Gleichstrom als Enabler der Energieflexibilisierung

Fabriken sollten künftig mit Gleichstrom betrieben werden. Forschungen am Fraunhofer IPA zeigen nämlich, dass das bis zu zehn Prozent der elektrischen Energie einspart, die Stabilität im Netz steigert und die Energieflexibilität erhöht.

Veröffentlicht am 07.07.2022

Lesezeit ca. 4 Minuten

Der heutige elektrische Energiefluss im Unternehmen mit einer Wechselstromversorgung ist geprägt von einem im Wesentlichen unidirektionalen Energiefluss, beginnend beim Mittelspannungstransformator, über Stromschienen, Verteilschränke bis in die Maschine zum jeweiligen Antrieb. Dabei findet, sofern es sich um geregelte Lasten wie Antriebe handelt, bereits eine Wandlung von Wechselstrom (AC) auf Gleichstrom (DC) statt und anschließend wieder zurück auf einen in der Frequenz modellierten Wechselstrom. Diese Kette aus Wandlungsstellen in der Energieübertragung eines Fabriknetzes ist mit Verlusten behaftet.

Energieflexibilität ohne weitere Investitionen und IT

Die Gleichstromversorgung in der Fabrik setzt dort an. Statt dezentraler Gleichrichter direkt am Antrieb oder an anderen, geregelten Verbrauchern wird direkt am Mittelspannungstransformator – also am Energieeingang der Fabrik – die Versorgung zentral auf DC umgeschaltet. Das DC-Netz versorgt nun alle Verbraucher und ermöglicht gleichzeitig die flexible Nutzung von unterschiedlichen Quellen wie dem Versorgungsnetz, PV-Anlagen, Speicher oder Eigenenergieerzeugungsanlagen durch den integrierten Smart-Grid-Ansatz. Dieser Smart-Grid-Ansatz in dem offenen DC-Netz ist durch eine dezentrale Regelung, basierend auf Kennlinien, organisiert. Dabei ändert sich die Netzspannung in einem definierten Arbeitsbereich von rund zehn Prozent und spiegelt so den energetischen Zustand des Netzes wider. Steigt die Spannung, erkennen Erzeuger, Speicher und auch energieflexible Lasten sofort den möglichen Energieüberschuss und können durch geringere Erzeugung, Speicherung oder Nutzung reagieren. Kennlinien geben die Priorisierung der Maßnahmen vor. Sinkt die Spannung, herrscht Energieknappheit beziehungsweise muss Energie teuer aus dem Netz zugekauft werden. Wieder können sich die Teilnehmer darauf einstellen. Somit lässt sich Stabilität im Netz und Energieflexibilität mit dem gleichen Ansatz ohne Mehrinvestitionen oder IT-Infrastruktur realisieren.

Schaubild DC-Netz
Quelle: Fraunhofer IPA

Das Buch zum Thema

Die Energiewende hat viele Facetten. Eine davon ist die Stromversorgung von Fabriken. Hier liegt der Ursprung des Umbruchs in der Antriebstechnik, die heute bereits gleichstrombasiert ist, während das Netz Wechselstrom liefert. In diesem Buch erfahren Sie, welche Vorteile es hat ein umfassendes Gleichstromfabriknetz aufzubauen, in das alle Stromerzeuger ihre Energie einspeisen und aus dem alle Verbraucher direkt versorgt werden. Alle damit verbundenen konzeptionellen, wirtschaftlichen, technischen und organisatorischen Fragestellungen werden darin behandelt.

Das Buch zeigt darüber hinaus vier reale Anwendungen, die mit dem beschriebenen, herstelleroffenen Gleichstromnetz realisiert wurden. Dabei werden jeweils unterschiedliche konzeptionelle Schwerpunkte erläutert, um die mögliche Bandbreite des Einsatzes zu demonstrieren.

Alexander Sauer (Hrsg.), »Die Gleichstromfabrik. Energieeffizient. Robust. Zukunftsweisend«, München 2020.

Buchcover Die Gleichstromfabrik

DC-Netz spart zehn Prozent Strom

Der Vergleich der Wirkungsgrade entlang der Wandlungskette deckt die Effizienzunterschiede in einem DC-Netz im Vergleich zu einem AC-Netz auf. Während im AC-Netz Verluste auf den Leitungen durch Oberschwingungen entstehen, können diese Verluste in einem DC-Netz bei gleichem Leitungsquerschnitt halbiert werden. Zusätzlich verringern sich die Verluste in den Netzfiltern sowie im Transformator. In der Summe ergibt sich für einen geregelten Antrieb ein Effizienzvorteil von zwei bis 3,3 Prozent in einem DC-Netz gegenüber einem AC-Netz.

Zu diesem systemischen Effizienzpotenzial, das sich in ausgedehnten Netzen durch die Übertragungsverluste auf den längeren Leitungen noch verstärkt, kann die direkte Nutzung der rekuperierten Bremsenergie hinzugerechnet werden. Dieses Effizienzpotenzial hängt vom Prozess und den eingesetzten Maschinen ab und kann bis zu 24 Prozent betragen. In Summe hat die DC-Versorgung in einer Fabrik das Potenzial, bis zu zehn Prozent der elektrischen Energie einzusparen.

Ihr Ansprechpartner

Dr.-Ing. Timm Kuhlmann

Leiter der Gruppe Industrielle Mikronetze und Energiespeicher
Telefon: +49 711 970-1903