Effizient, flexibel, intelligent

Gleichstromlabor am Fraunhofer IPA

Gleichstromlabor am Fraunhofer IPA. (Quelle: Fraunhofer IPA/Foto: Rainer Bez)

Effizient, flexibel, intelligent

Fabriken sollten mit Gleichstrom betrieben werden. Denn das bringt Einsparungen bei Energie und Material mit sich und erleichtert die Integration von erneuerbarer Energie und Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Damit ist Gleichstrom ein Schlüssel zur Energiewende.

Veröffentlicht am 14.11.2024

Lesezeit ca. 8 Minuten

Heutzutage werden die meisten Industrieanlagen mit Wechselstrom (AC) aus Mittelspannungsnetzen versorgt. AC (engl. alternating current) wird dann in Niederspannungswechselstrom umgewandelt, damit er innerhalb von Produktionsanlagen verteilt werden kann. Frequenzumrichter für geregelte Antriebe in den Anlagen sind weit verbreitet und benötigen zur internen Regelung des Leistungsflusses Gleichstrom (DC, Kürzel für direct current) im Zwischenkreis.

Somit wird nahezu jede verwendete Energie in einer Produktion einmal in Gleichstrom umgewandelt. Diese dezentralen, flächendeckend verteilten Umwandlungsstufen von Wechselstrom in Gleichstrom verursachen Verluste und benötigen zusätzliche Ressourcen. Sie bilden Hürden bei rückläufigen Leistungsflüssen, zum Beispiel aus Batterien, Photovoltaikanlagen oder bremsenden Antrieben. Insgesamt ist das heutige Stromsystem einer Fabrik geprägt von Ineffizienzen, Leistungsverlusten und Oberschwingungen aus diesen Umwandlungen, die mittels Gleichstrom deutlich reduziert werden können.

Gleichstromnetz für den breiten Einsatz in der Industrie

Warum also nicht von vornherein den gesamten Anlagenpark mit Gleichstrom betreiben, wenn in einer Fabrik viele Maschinen einen Gleichstrom-Zwischenkreis besitzen und die zahlreichen Umwandlungen unnötige Energieverluste verursachen? Bei der Gleichstromtechnologie werden die Produktionssysteme und die Infrastruktur der Fabrik effizient von einem zentralen Gleichrichter (Active Infeed Converter) versorgt, der für die Umwandlung von Wechselstrom in Gleichstrom zuständig ist. Dieser Ansatz bietet eine Reihe von Vorteilen, wie zum Beispiel eine erhebliche Energieeinsparung und eine Netzfilterung. Darüber hinaus werden die Energieverluste reduziert, wenn die vorher in Summe überdimensionierten Gleichrichter für die einzelnen drehzahlgeregelten Antriebe durch den zentralen Gleichrichter ersetzt werden.

Neben dem Einsparen von Energie vereinfacht der Einsatz von Gleichstrom in der Fabrik die Flexibilität in der Energienutzung und führt dazu, dass möglichst viel regenerativ erzeugte Energie genutzt werden kann. Da diese volatil zur Verfügung steht – Wind und Sonnenenergie selbst sind nicht steuerbar – antizipiert eine flexible Energienutzung diese Volatilität und passt sich an die Verfügbarkeit von CO2-freier Energie an.

Die Vorteile der Gleichstromfabrik im Einzelnen

Energieeinsparung: Gleichstromnetze ermöglichen Einsparungen von acht bis zwölf Prozent bei Infrastruktur wie Beleuchtung und Lüftung, bis zu 15 Prozent bei Fertigungsrobotern und sogar 20 Prozent bei Logistiksystemen. Die Vermeidung von Blindleistung und überdimensionierten Gleichrichtern reduziert zudem die Betriebskosten erheblich.

Effiziente Bremsenergienutzung: Bremsenergie, beispielsweise von schnellbewegenden Robotern oder Hochregallagersystemen, die über Bremswiderstände ungenutzt in Wärme umgewandelt wird, kann rekuperiert, direkt in das Gleichstromnetz eingespeist und von anderen Maschinen genutzt werden. Dies erhöht die Gesamtenergieeffizienz.

Direkte Integration erneuerbarer Energien: Photovoltaikanlagen, die in modernen Fabriken integriert sind, erzeugen Gleichstrom, der mit geringeren Umwandlungsverlusten als die der DC-AC-Wandlung in das Gleichstromnetz eingespeist werden kann.

Materialeinsparung: In einem Gleichstromnetz sind nur zwei aktive Leiter notwendig, nicht drei wie im Wechselstromnetz. Da eine Phase entfällt, wird weniger Kupfer benötigt, was die Kosten und den Materialeinsatz für die Verkabelung senkt.

Integration von DC-Ladestationen: Durch die direkte Einspeisung von Gleichstrom aus dem industriellen DC-Netz in Ladestationen für E-Fahrzeuge entfällt die Notwendigkeit von zusätzlichen AC-DC-Wandlungsstufen. Auch die Integration bidirektional ladender Systeme ist in einem DC-System effizienter und weniger komplex.

Gleichstromlabor mit elektrischen und mechanischen Lastemulatoren
Gleichstromlabor am Fraunhofer IPA: Elektrische und mechanische Lastemulatoren. (Quelle: Fraunhofer IPA/Foto: Rainer Bez)

Die Integration von E-Ladestationen in Gleichstromnetze wird im laufenden Forschungsprojekt »DCI4CHARGE« untersucht. Isolierende DC/DC-Wandler ermöglichen diese Integration, indem sie den Gleichstrom aus dem Unternehmensnetz in die benötigte Spannung und Stromstärke für die E Fahrzeuge umwandeln. Auf diese Weise lässt sich die zur Verfügung stehende elektrische Energie effizienter nutzen und Energieverluste werden minimiert. Außerdem kann durch die Integration der Ladestationen ins Gleichspannungsnetz die Kapazität der Fahrzeugbatterien für die Energieversorgung der Unternehmen genutzt werden: durch sogenanntes bidirektionales Laden. Das Projekt wird dies aus technischer und steuerungstechnischer Sicht ermöglichen.

Intelligentes Netzmanagement stabilisiert die Produktion

Das Fraunhofer IPA hat ein intelligentes Netzmanagementsystem mitentwickelt, das eine dezentrale und flexible Regelung von Lasten und Speichersystemen ermöglicht. Diese Regelung trägt dazu bei, Lastspitzen zu minimieren und die Energiekosten zu senken. Möglich wird dies durch eine intelligente Steuerung auf der Grundlage eines hierarchischen Netzmanagements, das eine Priorisierung der Ziele ermöglicht. Auf der unteren Ebene garantiert die dezentrale Regelung auf Basis von Strom-Spannungs-Regelkurven den sicheren Betrieb des Netzes und eine stabile Versorgung auch bei Kommunikationsausfällen. Gleichzeitig verschiebt eine zentrale Steuerung die Regelkurven der dezentralen Regelung mit dem Ziel, einen optimalen, kosteneffizienten Betrieb des gesamten Netzes zu erreichen und kommuniziert mit industriellen Überwachungs-, Produktionsplanungs- sowie Steuerungssystemen.

Ein Simulationsmodell unterstützt dabei das Netzmanagement. Es bildet das gesamte Werk mit seinen Stromquellen und -verbrauchern ab und ermöglicht dadurch die Analyse verschiedener Szenarien, einschließlich kritischer impulsartiger Veränderungen wie Kurzschlüsse oder plötzliche Maschinenabschaltungen. Das konfigurierbare, modulare Simulationsmodell ermöglicht dem Fabrikbetreiber, Energieproduktion und -verbrauch besser aufeinander abzustimmen.

Herausforderungen

Wie jede neue Technologie stehen auch DC-Netze vor Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Derzeit gibt es nur wenige Spezialisten, die DC-Netze entwerfen und umsetzen können, was spezielles Fachwissen erfordert. Mit der zunehmenden Anzahl an Projekten wird die Planung von DC-Netzen jedoch einfacher und vergleichbar mit der Planung von AC-Netzen.

Ein weiteres Problem ist das Fehlen einer einheitlichen Standardisierung für DC-Netze, wie zum Beispiel bei Netzformen und Erdungsmethoden. Verschiedene Organisationen arbeiten daran, internationale Standards zu entwickeln, um ein kompatibles System für unterschiedliche Anwendungen zu schaffen. Die Open DC Alliance (ODCA) gehört zu den Gruppen, die technische Fragen klären und technische Spezifikationen für kompatible DC-Systeme in verschiedenen Anwendungsbereichen weiterentwickeln wollen.

Portrait Isabella Bianchin
Isabella Bianchini ist Elektroingenieurin mit Schwerpunkt auf Energiemärkten und Energiemanagement. Die Expertin für Wirtschaftlichkeitsanalyse und Simulation von Gleichstromnetzen sowie Energieflexibilität für Demand-Response arbeitet seit 2019 am Fraunhofer IPA und leitet seit 2023 das Forschungsteam Industrielle Mikronetze. (Quelle: Fraunhofer IPA/Foto: Rainer Bez)

Auch die derzeit höheren Kosten für DC-Technologien sind eine Barriere, da sie aufgrund geringerer Produktionsvolumen teurer sind als existierende vergleichbare Geräte für AC-Netze. DC-Netze sind momentan vor allem bei Neubau- oder größeren Sanierungsprojekten kosteneffektiv. Die Verfügbarkeit von DC-Geräten, insbesondere über alle Leistungsklassen hinweg, ist begrenzt. Es besteht jedoch ein wachsender Bedarf an spezifischen DC-Komponenten wie Halbleiterschutzschaltern. Hersteller und Endanwender müssen von den Vorteilen der DC-Technologie überzeugt werden, um die Marktentwicklung voranzutreiben.

Zusätzlich ist eine umfassende Schulung der Mitarbeiter erforderlich, da DC-Netze trotz Niederspannung spezielle Kenntnisse für Installation und Wartung erfordern. Die Akzeptanz und die Schulungsmöglichkeiten für das Personal sind entscheidend, um diese Herausforderung zu meistern.

Fazit

Der breite Einsatz der Gleichstromtechnologie in der Industrie kommt einem Paradigmenwechsel hin zu mehr Energieeffizienz, Ressourcenoptimierung und Energieflexibilität gleich. Durch intelligente Steuerung und die nahtlose Integration erneuerbarer Energiequellen ermöglichen Gleichstromnetze nicht nur Kosteneinsparungen, sondern stärken die Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz der Industrie. Einige Herausforderungen bleiben bestehen, insbesondere in Bezug auf Kosten und die Notwendigkeit, Entscheidungsträger von den Vorteilen zu überzeugen. Mit der Realisierung weiterer Projekte werden diese Hürden abnehmen.

Zukünftige Entwicklungen zeigen weitere Vorteile auf, wie beispielsweise die Integration von Wasserstofftechnologien, die Gleichstrom nutzen. Plattformen wie »WAVEH2«, die 2025 in Betrieb gehen werden, werden die Synergien zwischen DC-Systemen und Wasserstoff in industriellen Anwendungen demonstrieren. Darüber hinaus wird die Umstellung auf Mittelspannungs-Gleichstromnetze die großflächige Integration erneuerbarer Energiesysteme für größere, nachhaltigere Anlagen ermöglichen.

Gleichstromtechnologie wird zu einem Schlüssel für die Energiewende und integraler Bestandteil eines nachhaltigen, intelligenten und effizienten Energiesystems der Zukunft.

Ihre Ansprechpartnerin

Isabella Bianchini

Forschungsteamleiterin Industrielle Mikronetze
Telefon +49 711 970-1959