Mithilfe von künstlicher Intelligenz wird eine automatische Qualitätsprüfung und das roboterbasierte Einpacken der produzierten Güter möglich. (Quelle: Fraunhofer IPA/Foto: Rainer Bez)
Künstliche Intelligenz optimiert End-of-Line-Prozesse
Die Qualitätssicherung und das Verpacken von Bauteilen am Ende der Produktion sind bisher ein aufwendiger, manueller Prozess. Die gemeinsamen Arbeiten vom Fraunhofer IPA und der Witzenmann GmbH aus Pforzheim zeigen, wie künstliche Intelligenz (KI) diese Arbeitsschritte automatisieren kann.
Veröffentlicht am 14.07.2022
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KI ist in aller Munde und das zu Recht, wie zahlreiche Studien belegen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Das »McKinsey Global Institute« geht davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland dank KI-Technologien bis 2030 jährlich um 1,3 Prozentpunkte steigen dürfte. Zum Vergleich: Andere Technologien sorgten für geringere Wachstumsschübe als KI: die Dampfmaschine beispielsweise für 0,3, die Industrierobotik für 0,4 Prozentpunkte. Damit diese Wachstumsschübe tatsächlich möglich werden, muss KI allerdings insbesondere im Mittelstand ankommen.
KI in den Mittelstand bringen
Hierfür einen entscheidenden Beitrag zu leisten, ist das Ziel des 2019 eröffneten KI-Fortschrittszentrums »Lernende Systeme und Kognitive Robotik« der Fraunhofer-Institute für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und IPA. Gefördert vom Land Baden-Württemberg bietet es verschiedene Formate zur Zusammenarbeit speziell für den Mittelstand in den Branchen Dienstleistung und Produktion an. Diese reichen von kurzen Machbarkeitsuntersuchungen oder »Quick Checks« bis hin zu Zusammenarbeiten über mehrere Monate, deren Ziel der Aufbau eines KI-basierten Demonstrators ist.
Die Witzenmann GmbH bewarb sich zunächst um einen Quick Check mit dem Ziel, Möglichkeiten zur Automatisierung der End-of-Line-Prozesse mithilfe von KI aufgezeigt zu bekommen. Das Unternehmen ist ein weltweit agierender Hersteller von flexiblen, metallischen Elementen. Mit einigen Hochlohnstandorten im Produktionsnetz ist eine durchgängige Prozessautomatisierung entscheidend, um den wirtschaftlichen Betrieb zu sichern. Die Kontrolle und Verpackung von fertigen Bauteilen zum Beispiel wird allerdings momentan noch manuell und somit kostenintensiv erledigt. Das bedeutet: End-of-Line verpackt der Mitarbeiter das Produkt sorgsam in der vorgegebenen Stückzahl in die Transportverpackung, zum Beispiel eine Gitterbox, und macht parallel auch eine finale Sichtprüfung.
Ansprüche an eine Automatisierung
Da dies die letzte Instanz vor dem Endkunden ist, ist es sehr wichtig, diesen Schritt präzise auszuführen. Entsprechende Automatisierungslösungen benötigen daher eine zuverlässige optische Qualitätskontrolle und Algorithmen zum Ablegen von Bauteilen in Gitterboxen. Herausfordernd dabei: Die Bauteile sind teilweise beweglich und nicht formstabil. Stand heute ist eine solche Automatisierungslösung nicht standardmäßig auf dem Markt verfügbar. Daher erfolgt das Verpacken End-of-Line in vielen Produktionen noch manuell, obwohl das wirtschaftliche Potenzial für eine Automatisierung des Prozesses auf den ersten Blick vorliegt.
Der Quick Check ergab, dass KI-Technologien eine automatisierte Qualitätskontrolle und das roboterbasierte Verpacken der Bauteile (»Bin Packing«) ermöglichen können. Forschungsbedarfe bestanden für die KI-gestützte Fehlerklassifizierung in Kombination mit automatisierten Bin-Packing-Applikationen und intelligenter Packbild-Generierung zur Roboterautomatisierung.
KI-basierte Bildverarbeitung und Robotik
Da dieser Anwendung bei Witzenmann und im produzierenden Gewerbe allgemein hohe Relevanz zugesprochen wurde, hat das Fraunhofer IPA die Anwendung in einem ebenfalls geförderten »Exploring Project« tiefer untersuchen und die genannten Forschungsbedarfe adressieren können. So wurden am Institut in einer Prüfvorrichtung für verschiedene Bauteile, etwa für Bälge, Aufnahmen mit einer Zeilenkamera gemacht und diese Aufnahmen dann annotiert. Um die für maschinelles Lernen erforderliche Datenmenge zu bekommen, ohne besonders viel Zeit investieren zu müssen, vergrößerten die Forscher den Datensatz mittels sogenanntem »Data Augmentation«, indem sie vorhandene Bilder automatisiert variierten, beispielsweise mittels Rotieren, Spiegeln oder dem Aufaddieren von Rauschen. Für die Auswertung der Bilder haben die Forscher ein neuronales Netz entwickelt und trainiert, das zwischen fehlerbehafteten und fehlerfreien Bauteilen unterscheiden kann. Mögliche Fehlertypen sind zum Beispiel Beschädigungen der Schweißnaht oder des Materials.
Für das Verpacken der Bauteile integrierte das Institut Module seiner Software »bp3™« in die Bin-Packing-Anwendung bei Witzenmann. Die Software ist als Lizenz verfügbar und bereits in verschiedenen Produktionen im Dreischichtbetrieb für Griff-in-die-Kiste-Anwendungen, also das Gegenteil vom Verpacken, im Einsatz. Da es für das Verpacken der Bauteile kein vorgegebenes Muster gibt und auch die Variantenzahl hoch ist, soll ein KI-basierter »Lagengenerator« geeignete Ablagepositionen in der Kiste für den Roboter ermitteln. Diese KI-basierte Software wird in einer Simulationsumgebung trainiert. Hierfür wird »Reinforcement Learning«, also ein Lernverfahren nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum, eingesetzt und die KI-basierte Software für erfolgreiches Ablegen gewissermaßen belohnt.
Witzenmann hat sich auch für das letzte Förderformat, die Entwicklung eines Demonstrators, beworben und eine Zusage erhalten. Der Demonstrator wird bei Witzenmann in einer internen Ausstellungsumgebung aufgebaut, wo er interessierten Mitarbeitern zur Verfügung steht und zu Anschauungs- und Schulungszwecken genutzt werden kann. Die Zusammenarbeit des Mittelständlers mit dem Fraunhofer IPA ist somit schon jetzt ein gelungenes und eines von zahlreichen erfolgreichen Beispielen des KI-Fortschrittszentrum »Lernende Systeme und Kognitive Robotik« für den Transfer von KI-Technologien in die Praxis.
Ihre Ansprechpartner
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Leiter der Gruppe Optische Mess- und Prüfsysteme
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Mitarbeiter der Gruppe Handhabung und Intralogistik
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