Quelle: Fraunhofer IPA/Foto: Rainer Bez
Aufbau eines hybriden Energiespeichers im Labormaßstab
Am Institut für Energieeffizienz in der Produktion (EEP) der Universität Stuttgart, einem Schwesterinstitut des Fraunhofer IPA, haben Forscherinnen und Forscher einen hybriden Energiespeicher aufgebaut. Er kann thermische, mechanische und elektrische Energie speichern und erhöht so die Energieflexibilität der Industrie.
Veröffentlicht am 30.06.2022
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Für die erfolgreiche Energiewende in Deutschland muss der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung stetig ausgebaut werden. Die volatile Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien stellt die Stromnetze vor große Herausforderungen. 44 Prozent des Strom- und rund 25 Prozent des Wärmeverbrauchs in Deutschland entfallen auf die Industrie. Durch die Anpassung des Energieverbrauchs an das volatile Energieangebot können die Stromnetze entlastet werden. Dieser Ausgleich der Schwankungen im Stromnetz nennt sich Demand Response.
Ein Hilfsmittel zur Umsetzung von Demand Response ist die Energieflexibilität. Im Rahmen des Forschungsprojekts »SynErgie« wird der Themenkomplex der Energieflexibilität erforscht. Ziel des Projektes ist es, die energieintensiven Industrieprozesse an die regenerative und fluktuierende Stromversorgung anzupassen. Dafür werden alle technischen und marktseitigen Voraussetzungen mit rechtlichen und sozialen Aspekten in Einklang gebracht und so der Energiebedarf der deutschen Industrie effektiv mit dem volatilen Energieangebot synchronisiert.
Eine übergeordnete Rolle bei der Anwendung und Vermarktung von Energieflexibilität spielen Energiespeichertechnologien. Diese können als Schlüsseltechnologie für die Energieflexibilisierung innerhalb der industriellen Energieversorgung angesehen werden. Die Hauptfunktion von Energiespeichern ist die Ein- und Ausspeicherung von Energie und damit die Etablierung einer zeitlichen Unabhängigkeit zwischen Erzeuger und Verbraucher. Jede Energiespeichertechnologie besitzt unterschiedliche Restriktionen, die beim Einsatz in industriellen Prozessen beachtet werden müssen. Eine Möglichkeit, diesen Herausforderungen zu begegnen, sind hybride Energiespeicher.
Hybride Energiespeicher werden hierbei als Zusammenschluss mehrerer energieträgerübergreifender Energiespeicherformen gesehen, die energetisch und regelungstechnisch miteinander gekoppelt sind. So können diese die jeweiligen Schwächen der Einzeltechnologien ausgleichen und beispielsweise die Energieflexibilität erhöhen, die spezifischen Investitionskosten reduzieren und die Systemeffizienz erhöhen.
Hybrider Speicher für thermische, mechanische und elektrische Energie
Um diese Energiespeicherformen zu testen und zu bewerten, wurde innerhalb des Forschungsprojekts SynErgie das Forschungslabor am Institut für Energieeffizienz in der Produktion der Universität Stuttgart (EEP) um einen hybriden Energiespeicher erweitert. So können reale Systeme in einer Laborumgebung abgebildet und Rückschlüsse auf die Realität gezogen werden. Der hybride Speicher umfasst drei verschiedene Energiespeicherformen, die testweise be- und entladen werden können. Der Energiespeicher kann neben thermischer auch mechanische und elektrische Energie aufnehmen und bei Bedarf abgeben. So entsteht ein hybrides energieträgerübergreifendes Energiespeichersystem.
Thermische Energie längerfristig speichern
Der thermische Energiespeicher besteht hierbei aus einem sensiblen Kältespeicher, der die Temperaturdifferenz zwischen ein- und austretendem Wasser nutzt, um Nutzenergie zwischenzuspeichern. So kann mithilfe des Labordemonstrators in Kombination mit einer Kältemaschine Kälte erzeugt werden und bei Bedarf in den Speicher geladen werden. Diese kann zu einem späteren Zeitpunkt entladen werden. Diese Art von Energiespeicher ist vor allem für eine längerfristige Speicherung von thermischer Energie nützlich. Die Kombination dieses Energiespeichers mit einer strombetriebenen Kältemaschine kann Einfluss auf die Leistung am Netzanschlusspunkt nehmen und so Energieflexibilität bereitstellen.
Schwungmassenspeicher zum Ausgleich von Leistungsspitzen
Als zweite Energieform, die innerhalb des hybriden Energiespeichers gespeichert werden kann, ist die mechanische Energie zu nennen. Diese wird mit Hilfe eines Schwungmassenspeichers in den hybriden Verbund aufgenommen und bei Bedarf abgegeben. Im industriellen Umfeld können so kurze und ausgeprägte Leistungsspitzen ausgeglichen werden und somit beispielsweise Lastspitzen, welche die Stromnetze beanspruchen, vermieden werden.
Kondensatoren für die schnelle Reaktion auf Lastwechsel
Die letzte Energieform, die innerhalb des Laboraufbaus zu hybriden Energiespeichern gespeichert werden kann, ist die elektrische Energie. Neben dem Schwungmassenspeicher und dem thermischen Energiespeicher existieren im Laboraufbau Kondensatoren, die elektrische Energie speichern können. Kondensatoren können hierbei DC-Strom einspeichern und bei Bedarf entladen. Die Besonderheit bei Kondensatoren ist, dass diese die elektrische Energie direkt speichern. Im Vergleich zu beispielsweise Lithium-Ionen-Batterien findet keine elektrochemische Reaktion statt. Kondensatoren besitzen die Fähigkeit, schnell auf Lastwechsel zu reagieren und punktuell hohe Leistungen bereitzustellen.
Tests in der Laborumgebung
Die vorgestellten Energiespeichertechnologien wurden nun im Rahmen des SynErgie-Projekts zu einem hybriden Energiespeicher gekoppelt. Mit ihm ist es möglich, reale multienergetische Anwendungsfälle aus Produktionsprozessen darzustellen. Im Hinblick auf die energetische Flexibilisierung kann die Energiespeicherung energieträgerübergreifend bewertet werden und die Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Technologien und der Vorteil durch das technologieübergreifende hybride Energiespeichersystem analysiert werden. Innerhalb der Laborumgebung ist es dadurch möglich, wasserbasiert energetische Erzeugungs- und Verteilsysteme, die auf thermischer Energie basieren, Produktionssysteme, die zeitweise hohe elektrische Lasten vorweisen und elektrische DC-Systeme gekoppelt miteinander zu bewerten. Verschiedene Prozesse, die innerhalb eines Produktionsprozesses parallel stattfinden, können so analysiert werden. Zudem können die Potenziale zur Flexibilisierung der Netzanschlussleistung, sowohl der einzelnen Energiespeichertechnologien des thermischen Energiespeichers mit der Kältemaschine, des Schwungmassenspeichers und der Kondensatoren als auch der Energiespeichertechnologien im Verbund, untersucht werden.
Neben der Speicherung verschiedener Energieformen bietet der Laboraufbau rund um den hybriden Energiespeicher die Möglichkeit, Energie lang- und mittelfristig sowie kurzfristig und schnell zu speichern. Ersteres wird mit dem thermischen Energiespeicher und Letzteres durch den Schwungmassenspeicher und die Kondensatoren erreicht.
Der Laboraufbau des EEP trägt zum Ziel des Projekts SynErgie bei, indem ein energieträgerübergreifender und zeitlich variabler hybrider Energiespeicher aufgebaut wurde. So können industrielle Flexibilisierungsmaßnahmen in hybriden Systemen auf ihre technische Funktionsweise getestet und bewertet werden.
Ihr Ansprechpartner
M.Sc. Bijan Seyed Sadjjadi
Mitarbeiter der Gruppe Industrielle Wärme -und Kälteversorgung
Telefon: +49 711 970-1338