Alle Fotos: Fraunhofer IPA/Foto: Rainer Bez
Vorgestellt! Ein Tag mit… Dennis Bauer
Privat erklimmt er Alpengipfel und beruflich untersucht er, wie die deutsche Industrie mittels künstlicher Intelligenz energieeffizienter und energieflexibler werden kann: Dennis Bauer leitet am Fraunhofer IPA die Gruppe Energieflexible Produktion & Energiedatenanalyse. »interaktiv« hat den Forscher einen Tag lang begleitet.
Dass es auf diesem Planeten ein Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA gibt, erfuhr Dennis Bauer im Juni 2011. Er studierte zu dieser Zeit gerade im Bachelor Maschinenbau an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Mosbach. Sein Arbeitgeber, Wittenstein SE, hatte ihn für 16 Wochen an den Standort Grüsch in der Ostschweiz entsandt. Er sollte dort die Produktionsprozesse während des Hochlaufs optimieren. Unterstützt wurde er dabei von einem erfahreneren Kollegen, der am Fraunhofer IPA promoviert hatte.
Der Aufenthalt in der Schweiz muss etwas mit Bauer gemacht haben. Denn nach einer dreimonatigen Episode bei einem Automobilzulieferer in Kanada wechselte er im April 2013 für den Masterstudiengang an die Universität Stuttgart und legte den Schwerpunkt auf Produktionstechnik. In einer Vorlesung zum Wissens- und Informationsmanagement in der Produktion lernte er einen gewissen Thomas Bauernhansl kennen und erfuhr von diesem, dass das benachbarte Fraunhofer IPA stets auf der Suche nach fähigen studentischen Mitarbeitern sei. Bauer fühlte sich angesprochen und bewarb sich bei der Gruppe von Joachim Seidelmann, der heute das Kompetenzzentrum DigITools leitet, damals aber noch Gruppenleiter in der Abteilung Reinst- und Mikroproduktion war. Im August 2013 trat Bauer seine Stelle an.
Wegweisende Zeit
Als wegweisend sollte sich insbesondere die Zeit ab November 2015 erweisen. Bauer war inzwischen wissenschaftlicher Mitarbeiter und betreute zwei größere Forschungsprojekte. Das Projekt »Power Semiconductor and Electronics Manufacturing 4.0« (SemI40) sollte die europäische Halbleiterindustrie leistungsfähiger machen. In diesem Zuge untersuchte Bauer, wie sich die Produktionssteuerung mit Informationen aus dem Wertschöpfungsnetzwerk automatisiert optimieren ließ. In diesem Zuge definierte er auch das Thema seiner Doktorarbeit.
Das zweite Forschungsprojekt, das Bauer in dieser Zeit übernahm, heißt »SynErgie« und läuft bis heute. In diesem Projekt entwickeln Forscherinnen und Forscher vom Fraunhofer IPA in enger Zusammenarbeit mit der Industrie einerseits Technologien, Konzepte und Maßnahmen, um Produktionsprozesse an das volatile Energieangebot von Wind- und Solarparks anzupassen. Für den Handel mit Strom, der sich aus diesem Flexibilitätspotenzial ergibt, entwerfen sie andererseits eine IT-Plattform, die »Energiesynchronisationsplattform«.
Eine Werkstattfertigung, die selbsttätig auf Ereignisse reagiert
Im Februar 2019 wechselte Bauer zur Abteilung Industrielle Energiesysteme und übernahm zusammen mit dem Aufbau und der Leitung der Gruppe Energieflexible Produktion & Energiedatenanalyse auch die Gesamtverantwortung für das Forschungsprojekt SynErgie. Die neuen Aufgaben führten zeitweise dazu, dass die Arbeit an der Dissertation in den Hintergrund rückte. Doch mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 hatte Bauer auf einmal wieder mehr Freizeit.
Podcast über Green Smart Factory
Das große Potenzial der Industrie, die Notwendigkeit zur Automatisierung sowie die Chancen zur Stabilisierung des Stromnetzes und wettbewerbsfähigen Energiekosten – die energieflexible Green Smart Factory ist eine enorme Chance für die deutsche Industrie und die Gesellschaft. Dennis Bauer und Philipp Hofmann von der Mercedes-Benz AG beleuchten in »Interaktiv«, dem Podcast des Fraunhofer IPA, was aktuell bereits möglich ist und wo die Reise zukünftig noch hingeht.
Er widmete sie seiner Doktorarbeit mit dem Titel »Lernende ereignisbasierte Optimierung der Produktionssteuerung für die komplexe Werkstattfertigung«. In ihr untersuchte er am Beispiel der Halbleiterindustrie, welche Ereignisse im Wertschöpfungsnetzwerk einer komplexen Werkstattfertigung auftreten und welche Maßnahmen in der Produktionssteuerung jeweils Abhilfe schaffen. Es gelang ihm, dass die Systeme, die auf Ereignisse aus dem Wertschöpfungsnetzwerk reagieren, nun mittels »Reinforcement Learning«, einem Verfahren der künstlichen Intelligenz (KI), selbstständig dazulernen und automatisch aktiv werden.
Mit 30 den ersten Viertausender bezwungen
Nun, da die Doktorarbeit eingereicht und verteidigt ist, hat Bauer wieder mehr Zeit für seine große Leidenschaft, die Berge. In diesem Sommer hat er zusammen mit seinem jüngeren Bruder den Edelrid-Klettersteig bei Bad Hindelang durchstiegen, stand schließlich auf dem 1876 Meter hohen Gipfel des Islers und genoss den traumhaften Blick auf die Allgäuer Alpen.
Bereits im August 2020, Bauer war gerade 30 Jahre alt geworden, bezwang er gemeinsam mit seinem Bruder und zwei Freunden seinen ersten Viertausender, das Lagginhorn bei Saas-Fee im Schweizer Kanton Wallis. »Man muss sich durchbeißen, man muss sich quälen. Aber wenn man dann auf dem Gipfel steht und dieses unglaubliche Bergpanorama vor Augen hat, dann weiß man, dass es die Anstrengung wert war«, sagt Bauer.
Mit seiner Frau teilt Bauer seine zweite Leidenschaft: das Kochen. Gemeinsam haben sie eine Vorliebe für asiatische Gerichte, wobei am häufigsten Currys aus Indien oder Indonesien auf den Tisch kommen. »Als Schwabe kann ich aber natürlich nicht auf regionale Gerichte verzichten, vor allem dann nicht, wenn ein Bestandteil davon Spätzle sind«, so Bauer.
Eine wandlungsfähige Druckluftanlage
Zurück am Fraunhofer IPA arbeitet Bauer derzeit schwerpunktmäßig daran, wie die deutsche Industrie durch den Einsatz von KI energieeffizienter und energieflexibler werden kann. Große Einsparpotenziale gibt es beispielsweise bei der Druckluft, einer der verbreitetsten und teuersten Energieformen in der deutschen Industrie.
Mit ihrem Druckluftdemonstrator »WanDa«, der so heißt, weil er wandlungsfähig ist, können Bauer und sein Team die Druckluftanlagen ihrer Kunden nachbilden und sie dann datenbasiert optimieren. Denn WanDa steckt voller Sensoren, die riesige Mengen Daten generieren. Diese Daten verraten nicht nur, an welchen Stellen Luft aus Leckagen und undichten Verbindungsstücken entweicht, sondern auch, welche anderen Fehler und Anomalien auftreten und wie sich die Prozesse optimieren lassen. Der Vorteil: Auf ihrer Suche nach Optimierungspotenzialen müssen die Forscher nicht mehr in die Produktion ihrer Kunden eingreifen.
»Die Themen Energie und KI treiben ohnehin schon seit Jahren viele Unternehmen um. Aber seit die deutsche Wirtschaft unabhängiger von russischem Erdgas werden muss, haben sie erst recht Konjunktur«, sagt Bauer. Die Anzahl einschlägiger Projekte mit der Industrie ist in den vergangenen Monaten und Jahren jedenfalls deutlich gewachsen.
Ihr Ansprechpartner
Christian Schneider
Forschungsteamleiter Datengetriebene Energiesystemoptimierung
Telefon: +49 711 970-3640