Prozessablauf zur Rekonfiguration von Matrix-Produktionssystemen

Grafik Management Rekonfigurationsbedarf

Quelle: Fraunhofer IPA/Graphik: Andrine Theiss

Prozessablauf zur Rekonfiguration von Matrix-Produktionssystemen

Matrix-Produktionssysteme bieten die Möglichkeit der Rekonfiguration. Diese kann genutzt werden, um die Flexibilität der Produktion bedarfsgerecht an vorgegebene Zielsetzungen und Anforderungen anzupassen. Doch wie können Rekonfigurationen im operativen Betrieb des Produktionssystems ermittelt und durchgeführt werden?

Veröffentlicht am 28.04.2022

Lesezeit ca. 6 Minuten

Die modulare Struktur von Matrix-Produktionssystemen ermöglichen eine hohe Flexibilität für die tägliche Produktion. Somit können verschiedene Produkte und Varianten im selben Montagesystem produziert werden. Je nach Zusammensetzung der Produktionsprogramme oder Integration eines weiteren Produkttyps, kann es jedoch sinnvoll sein, die vorhandene Flexibilität anzupassen. In diesem Fall spricht man von Rekonfiguration.

Rekonfigurationen bezeichnen strukturelle Änderungen am Produktionssystem. In einer Matrixproduktion kann das die Änderung von Funktionsumfängen an Prozessmodulen, die Veränderung der Anzahl von Prozessmodulen oder deren räumliche Neuanordnung sein. Mittels dieser Stellschrauben lässt sich die Flexibilität anforderungsgerecht anpassen. Eine Rekonfiguration kann damit als eine auf einzelne Objekte limitierte Änderung am Fertigungs- beziehungsweise Montagesystem angesehen werden.

Prozess der Rekonfiguration

Um zu erkennen, wann eine Rekonfiguration sinnvoll ist, wie sie zu gestalten und umzusetzen ist, bedarf es eines standardisierten Prozesses, der in die Organisation der Produktion integriert ist. Dieser Prozess kann in sechs Haupt-Prozessschritte gegliedert werden.

Portrait Michael Trierweiler
Michael Trierweiler. (Foto: privat)
  1. Prozessplanung und -überwachung: Da es sich bei Rekonfigurationen um strukturelle Eingriffe in das Produktionssystem handelt, müssen eine Vielzahl an Aktivitäten angestoßen und koordiniert werden. Daher ist es sinnvoll, jedes Vorhaben einer Rekonfiguration als einzelnes Projekt zu betrachten. Entsprechend wird in den Prozess der Rekonfiguration ein Prozessschritt zur Projektplanung und -überwachung integriert. Über diesen werden Rekonfigurationsvorhaben ausgelöst, geplant und überwacht.

  2. Zielplanung: Analog zu größeren Änderungsplanungen von Fertigungs- beziehungsweise Montagesystemen stellt eine vorgelagerte Zielplanung sicher, dass Anforderungen an die Planung und Umsetzung systematisch aufgenommen werden können. Dies können beispielsweise das für die kommende Periode vorgesehene Produktionsprogramm, Wünsche der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder die angestrebte logistische Positionierung sein.

  3. Gestaltung: Entsprechend der definierten Prämissen aus der Zielplanung kann mit der konkreten Gestaltung von Rekonfigurationen begonnen werden. In diesem Schritt geht es darum, unter anderem Optimierungen am Layout oder an der Verteilung von Funktionen auf Prozessmodulen abzuleiten. Zur einfachen Gestaltung von Rekonfigurationen, der Validierung und des Vergleichs alternativer Lösungen bietet es sich an, diesen kreativen Prozessschritt im Digitalen Zwilling des Produktionssystems durchzuführen. Über eine Abschätzung der Aufwände zur Umsetzung der erarbeiteten Lösungsalternativen muss sichergestellt werden, dass der sich ergebende Nutzen (beispielsweise höhere Produktivität, Wegereduzierung im Materialtransport und dergleichen mehr) höher ist, als die dazu erforderlichen Aufwände zur Umsetzung.

  4. Ausführungsplanung: In der Ausführungsplanung wird die Umsetzung der zuvor gestalteten Rekonfiguration geplant. Dies beinhaltet die Festlegung der notwendigen Umsetzungsschritte sowie deren zeitliche Abarbeitung. An dieser Stelle ist besonders die Ausführung von Rekonfigurationen während des laufenden Betriebs herausfordernd.

  5. Ausführung: Schließlich kann mit der Ausführung selbst begonnen werden, also der mechanischen Umgestaltung des Shopfloors. Über den kontinuierlichen Austausch mit der Projektüberwachung muss die fristgerechte Abarbeitung der Arbeitsschritte sichergestellt werden, damit die Produktion entsprechend der vorherigen Planung arbeiten kann.

  6. Reflexion: Entsprechend der unternehmerischen Zielsetzung der kontinuierlichen Verbesserung sollte als Abschluss eines jeden Rekonfigurationsprojekts eine Reflexion des Vorgehens und der Ergebnisse durchgeführt werden. Über ein Wissensmanagement können die Erkenntnisse systematisch dokumentiert und für folgende Rekonfigurationsprojekte genutzt werden.

Integration in die Produktionsorganisation

Der vorgestellte Prozessablauf der Rekonfiguration muss in die Organisation der Produktion integriert werden. Dabei wird der Zeitraum zur Ermittlung von Rekonfigurationen bis zu deren Umsetzung über den Zeitraum von Bekanntgabe des Produktionsprogramms der Folgeperiode bis zum geplanten Start dessen definiert. Dies stellt eine gewisse Schnelligkeitsanforderung an den Prozess, welche nur über eine strikt einzuhaltende Standardisierung erreicht werden kann. Zur Unterstützung dieser ist die Einführung eines IT-Programms sinnvoll, welches nicht nur den ordnungsgerechten Ablauf des wiederkehrenden Prozesses ermöglicht, sondern gleichzeitig bestimmte Aufgaben der einzelnen Prozessschritte übernimmt.

#keepthepace live: Matrixproduktion in der Umsetzung

Die Matrixproduktion etabliert sich als neues Produktionsparadigma, um ein flexibles und effizientes Produzieren im turbulenten Marktumfeld zu ermöglichen. Als Live-Format der Webinar-Reihe #keepthepace bietet diese Veranstaltung das erste Mal wieder die Möglichkeit, vor Ort am Fraunhofer IPA mit Expertinnen und Experten aktuelle Trends der Automobilproduktion zu diskutieren.

  1. Mai 2022, 13:00-17:00 Uhr

Weitere Informationen und Anmeldung

Ausblick

Im Rahmen des Forschungsprojekts »Selbstlernende Steuerung einer technologieübergreifenden Matrixproduktion durch simulationsgestützte KI« (SE.MA.KI) wurde der beschriebene Prozessablauf weiter ausdetailliert und an der prototypischen Entwicklung des angesprochenen IT-Programms gearbeitet. Dieses könnte perspektivisch als zusätzliche MES-Funktionalität zur Unterstützung des Betriebs von Matrix-Produktionssystemen angesehen werden. Des Weiteren wird die Interaktion des Prozessablaufs der Rekonfiguration mit dem im SE.MA.KI-Projekt behandelten Gesamtsystem analysiert. Das Vorgehen und die Erfahrungen sollen anschließend der Forschung und Industrie über weitere Veröffentlichungen und Workshops zugänglich gemacht werden.

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Serie zur Matrixproduktion

Eine Serie von Beiträgen beschäftigt sich auf interaktiv online mit der Matrixproduktion, einem flexiblen Produktionssystem, das Resilienz und Wandlungsfähigkeit eines Unternehmens erhöht. Erschienen ist in dieser Serie bereits:

Nächsten Monat zeigen Felix Spenrath und Richard Bormann, wie maschinelles Lernen eine matrixfähige Kommissionierzelle ermöglicht.

      

Dieser Artikel ist im Rahmen von »SE.MA.KI« (Selbstlernende Steuerung einer technologieübergreifenden Matrixproduktion durch simulationsgestützte KI) entstanden. Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt SE.MA.KI. wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Förderkennzeichen: L1FHG42421. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt beim Autor.

Ihr Ansprechpartner

Michael Trierweiler

Mitarbeiter der Gruppe Montageplanung und datengetriebene -optimierung
Telefon: +49 711 970-1930