Digitales Werkzeug für die flussorientierte Fabriklayoutplanung

Draufsicht Applikationszentrum Industrie 4.0

Draufsicht auf das Applikationszentrum Industrie 4.0 (Quelle: Fraunhofer IPA/Foto: Rainer Bez)

Digitales Werkzeug für die flussorientierte Fabriklayoutplanung

Bei der Planung neuer Fabriken liegt das Hauptaugenmerk häufig auf der Optimierung des Materialflusses. Dabei gibt es noch eine ganze Reihe weiterer wichtiger Flussbeziehungen. Wie man diese am besten in die Fabrikplanung einbezieht, zeigen die Forscher Christian Kaucher, Stephan Gessert und Klaus Erlach.

Veröffentlicht am 29.7.2021

Lesezeit ca. 4 Minuten

Die flussgerechte räumliche Anordnung von Funktionsbereichen ist eine der Kernaufgaben der Fabrikplanung und stellt die Grundlage für die Planung des Ideallayouts dar. Klassische Planungsmethoden sind dabei häufig stark auf die Optimierung des Materiaflusses fokussiert und vernachlässigen weitere Flussbeziehungen. Eine rein materialflussoptimierte Anordnung kann jedoch ein Risiko für den späteren Fabrikbetrieb darstellen. So nimmt beispielsweise die Bedeutung des Informationsflusses für einen reibungslosen Produktionsablauf stetig zu. Insgesamt lassen sich sechs Arten von Flussbeziehungen identifizieren, die für die Fabrikplanung von Relevanz sind:

  • Materialfluss,
  • Personenfluss (zum Beispiel Mehrmaschinenbedienung),
  • Informationsfluss (zum Beispiel Auftragsreihenfolgen, Arbeitspläne, Tracking),
  • Betriebshilfsmittelfluss (zum Beispiel Vorrichtungen, Werkzeuge und Prüfmittel),
  • Energiefluss (zum Beispiel Strom, Wärme, Kälte) sowie
  • »Emissionsfluss« (störende Einflüsse von Betriebsmitteln, zum Beispiel Schwingungen).

Der Fabrikplaner steht somit bei der Planung der Fabrikstruktur vor der Herausforderung alle Flussbeziehungen konsolidiert zu erfassen, auf dieser Basis Strukturalternativen zu entwickeln und schließlich die beste Alternative auszuwählen.

Erfassung der Flussbeziehungen mit der Funktions-Beziehungs-Matrix

Die Experten des Fraunhofer IPA setzen daher in der Fabrikplanung eine spezielle, auf der Funktions-Beziehungs-Matrix basierende Methode sowie ein digitales Tool zur Unterstützung des Methodenablaufs ein. Dieses erlaubt es alle Arten von Flussbeziehungen in einer Matrix zu erfassen, darauf aufbauend Strukturalternativen zu entwickeln und diese zu bewerten.

In der Matrix erfolgt eine Bewertung der Beziehungsstärke zwischen allen Funktionsbereichs-Paaren in einem workshopbasierten Format. Bei besonderer Relevanz einzelner Flussbeziehungen können zudem vorab spezifische Analysen durchgeführt werden. Diese werden schließlich in der Funktions-Beziehungs-Matrix mit den weiteren Flussbeziehungen zusammengefasst.

Funktionsbeziehungs Diagramme
Funktions-Beziehungs-Matrix und -Diagramme auf Basis eines Projektbeispiels (Quelle: Fraunhofer IPA)

Entwicklung und Bewertung von Strukturalternativen

Auf Basis der Funktions-Beziehungs-Matrix wird automatisiert mit Hilfe des flussorientierten Positionierungs-Tools »Set2Flow« eine Ausgangslösung eines so genannten Funktions-Beziehungs-Diagramms erzeugt. Dieses stellt eine graphische Repräsentation der Funktionsbereiche und ihrer Beziehungen in einem Dreiecksraster dar. Ausgehend von der Ausgangslösung entwickeln die Fabrikplanungsexperten des Fraunhofer IPA zusammen mit dem Planungsteam des Kunden Strukturalternativen. Dabei werden sowohl typische Strukturen (z.B. I-, L- oder U-Form) als auch anwendungsfallspezifische Alternativen erprobt.

Zur Bewertung der entwickelten Strukturalternativen steht im Set2Flow Tool des Fraunhofer IPA eine Funktion zur Berechnung der gewichteten Gesamtdistanz der Alternativen zur Verfügung. Dabei ist eine möglichst geringe gewichtete Gesamtdistanz anzustreben. Im oben dargestellten Beispiel ist demnach der Strukturalternative in L-Form der Vorzug gegenüber der Alternative I-Form zu geben. Die gewichtete Gesamtdistanz sollte allerdings, insbesondere bei geringen Unterschieden, nicht als alleiniger Entscheidungsfaktor herangezogen werden. Gleichzeitig sind weitere Faktoren wie beispielsweise die Positionierung von Monumenten zu berücksichtigen.

Berücksichtigung weiterer Zielgrößen in der Idealplanung

Die beste der erzeugten Strukturalternativen stellt im Anschluss eine der Planungsgrundlagen für die Entwicklung des Ideallayouts dar. Dazu erzeugt das Set2Flow-Tool aus der Vorzugsalternative eine Ausgangslösung für die Ideallayoutplanung. Hier lassen die Fabrikplanungsexperten des Fraunhofer IPA nun auch verstärkt die weiteren Zielgrößen des Kunden wie beispielsweise Wandlungsfähigkeit mit einfließen. Das Ideallayout stellt schließlich den optimalen Kompromiss zwischen allen Zielgrößen im Planungsprojekt dar.

Zum Weiterlesen

Kaucher, C.; Gessert, S.; Erlach, K.: Flussorientierte Positionierungsmethode für die Fabrikplanung. Positionierung von Funktionseinheiten basierend auf der Funktions-Beziehungs-Matrix. ZWF Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb 116 (2021) 3

Kaucher, C.; Gessert, S.; Erlach, K.: Positionierung von Funktionseinheiten in der Fabrik. Ein digitales Werkzeug zur Bewertung aller Flussbeziehungen zwischen den Funktionseinheiten. wt werkstattstechnik 111 (2021) 4

Ihre Ansprechpartner

M.Sc. Christian Kaucher

Mitarbeiter der Gruppe Fabrikplanung und Wertstromdesign Telefon: +49 711 970-1865

M.Sc. Stephan Gessert

Mitarbeiter der Gruppe Fabrikplanung und Wertstromdesign Telefon: +49 711 970-1283

Dr. Klaus Erlach

Leiter der Gruppe Fabrikplanung und Wertstromdesign Telefon: +49 711 970-1293