Druckluft energieflexibel erzeugen

Bivalenter Druckluftdemonstrator

Quelle: Fraunhofer IPA/Foto: Rainer Bez

Druckluft energieflexibel erzeugen

Bivalent erzeugte Druckluft reduziert Energiekosten und erhöht die Energieeffizienz der Anlagen. Bivalent bedeutet, dass der Verdichter mit zwei unterschiedlichen Energieträgern betrieben werden kann, nämlich mit dem, der gerade besser geeignet und günstiger ist. Das Fraunhofer IPA und die Universität Stuttgart haben einen Prototyp entwickelt.

Veröffentlicht am 12.05.2022

Lesezeit ca. 5 Minuten

Druckluft ist eines der gängigsten und teuersten Medien in der Industrie. Der genutzte Strom kann je nach Beschaffenheit der Druckluftqualität und der Effizienz der Anlagen zur Drucklufterzeugung 20 bis 80 Prozent der gesamten Energiekosten eines Betriebs ausmachen. Warum also Druckluftanlagen nicht flexibel mit zwei oder mehr Energieträgern betreiben und die Energieversorgung wählen, die gerade am günstigsten ist? Zudem können Unternehmen mit diesen bivalenten Anlagen einen erheblichen Beitrag zum Gelingen der Energiewende leisten.

An Wind und Wetter angepasst: bivalente Druckluftbereitstellung

An einem windigen Sommertag mit hohem regenerativen Anteil an der Stromerzeugung sind die Strompreise niedrig (vielleicht sogar negativ) und ein CO2-armer Strombezug aus dem Netz ist möglich. Das Unternehmen wird sich für die Drucklufterzeugung mit Elektromotor entscheiden. An einem normalen Tag hingegen wird der regenerative Anteil an der Stromerzeugung niedriger sein und meist ist der Strompreis dann auch höher. Ein CO2-armer Strombezug aus dem Netz ist nicht möglich. Die Druckluft sollte dann mit einem Gasmotor erzeugt werden – idealerweise mit Holzgas, Biogas, perspektivisch auch grünem Wasserstoff angetrieben, also einem klimaneutralen Gas. Dabei bleibt der Effizienzgedanke immer im Blickfeld. Die erzeugte Wärme des bivalenten Druckluftheizkraftwerks (DHKW) sollte genutzt oder zwischengespeichert werden.

Bivalenter Druckluftdemonstrator

Im Rahmen des Projekts »SynErgie« wurde am Fraunhofer IPA ein erster Demonstrator aufgebaut, mit dem die Machbarkeit einer bivalenten Druckluftbereitstellung validiert wurde. Die Konzepte zur Umstellung von Druckluftanlagen auf bivalenten Betrieb sowie die Regelstrategien für eine bivalente Druckluftbereitstellung waren erfolgreich. Die Maschine demonstriert die Energieflexibilisierung bei der Drucklufterzeugung, wobei die Kerninnovation gegenüber dem Stand der Technik die Integration eines Verbrennungsmotors und eines elektrischen Antriebs an einen Kompressor ist. Die innovative Regelung und Steuerung soll perspektivisch völlig autonom zwischen den beiden Energieträgern wechseln.

Der niedrige regenerative Anteil der Stromerzeugung kann den Strompreis in die Höhe treiben. Ein CO2-armer Strombezug aus dem Netz ist nicht möglich, aber es winken zusätzliche Erlöse durch den Stromverkauf. Die Drucklufterzeugung mit Gasmotor und Rekuperation ist daher optimal.

Bivalenter Druckluftdemonstrator mit Gasmotor
Bivalenter Druckluftdemonstrator mit emuliertem Gasmotor. (Grafik: Fraunhofer IPA)

Energieeffizient bei hohem Wärme- und Druckluftbedarf

Die bivalente Drucklufterzeugung kann in vielen Unternehmen eingesetzt werden. Wichtig für einen ökonomischen Betrieb ist eine lange Laufzeit der Maschine innerhalb eines Jahres. Erzielt wird das durch einen – idealerweise konstant – hohen Wärme- und Druckluftbedarf. Ähnlich wie bei einem gewöhnlichen Blockheizkraftwerk (BHKW) kann die erzeugte Wärme (<100 °C) für Prozesse, Warmwasser oder für die Heizung eingesetzt werden.

Ein weiterer Vorteil gegenüber konventionellen DHKW ist die Rekuperation: Bei abfallendem Druckluftbedarf wird Strom produziert. Anstatt die Anlagen wegen geringeren Druckluftbedarfs zu drosseln, wird durch die Stromerzeugung eine längere Jahresnutzungsdauer bei Volllast erreicht. Der überschüssige Strom kann ins Netz eingespeist werden, sodass neben der Effizienzsteigerung aufgrund der Volllast auch eine Einspeisungsvergütung erwirtschaftet wird. Auch im Vergleich mit einem BHKW hat das hybride DHKW den Vorteil, dass nur auf den rekuperierten Strom die EEG-Umlage gezahlt werden muss. Dadurch ist der Betrieb im Vergleich zu einer Kombination aus BHKW und strombetriebenen Kompressor bei gleicher Anlagenauslastung signifikant günstiger. Zudem ist eine solche Anlage auch effizienter, da weniger Umwandlungsverluste anfallen.

Klimaneutrale Wärme- und Kälteversorgung
Innovative und klimaneutrale Wärme- und Kälteversorgung für Unternehmen. (Grafik: Fraunhofer IPA)
Simulierte Szenarien mit dem bivalenten Druckluftdemonstrator
Simulierte Szenarien mit dem bivalenten Druckluftdemonstrator – in allen Eventualitäten effizient und Residuallast-angepasst. (Grafik: Fraunhofer IPA)

Fazit

Wenn mehrere, insbesondere regenerative Energiequellen zum effizienten Betrieb von Produktionsprozessen herangezogen werden, reduzieren sich die Energiekosten und die Ressourceneffizienz wird erhöht. Die Versorgungs-, Planungs- und Ausfallsicherheit wird höher und die Abhängigkeit von einer Energiequelle sinkt – ebenso wie der CO2-Footprint des Unternehmens.

Ihre Ansprechpartner

Jan-Niklas Gerdes

Mitarbeiter des Forschungsteams Sektorkoppelnde Energiesysteme
Telefon: +49 711 970-1675