Blick aufs Parlament in Budapest. (Foto: Christian Fries)
Leben und forschen in Budapest
Christian Fries von der Abteilung Fabrikplanung und Produktionsmanagement am Fraunhofer IPA lebt und arbeitet derzeit in Budapest. Er unterstützt dort beim Aufbau der EPIC InnoLabs GmbH, die nach dem Vorbild der Fraunhofer-Gesellschaft angewandte Forschung betreiben soll. Nun, gegen Ende seines Aufenthalts, schildert Fries seine Eindrücke.
Veröffentlicht am 22.09.2022
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Vor knapp drei Jahre begann ich die Planung eines Forschungsaufenthalts in Budapest im Rahmen des EU-Forschungsprojekts »EPIC«. Dann brachte SARS-CoV-2 meine Pläne zu einem jähen Ende. Doch seither ist viel passiert. Aber der Reihe nach.
2018 bin ich in das EU-Forschungsprojekt EPIC eingestiegen. EPIC steht für »Centre of Excellence in Production Informatics and Control«. Hauptziel ist der Aufbau eines Center of Excellence beziehungsweise eines Kompetenzzentrums, den EPIC InnoLabs. Diese dienen als Fraunhofer-Pendants und bearbeiten Forschungs- und Industrieprojekte hauptsächlich in Ungarn, aber auch international in den Bereichen Produktionsinformatik, Management und Steuerung. Das Konsortium besteht aus dem Institut für Informatik und Steuerung der ungarischen Akademie der Wissenschaften (SZTAKI), zwei Fakultäten der Budapester Universität für Technologie und Wirtschaft (BME) und vier Institutionen der Fraunhofer-Gesellschaft (Fraunhofer IPA, IPK, IPT und Fraunhofer Austria). Genau wie bei der deutschen Fraunhofer-Gesellschaft steht die angewandte Forschung, also der Transfer in die Praxis, im Mittelpunkt.
Innovationsfähigkeit ungarischer Unternehmen wird gefördert
Seit Beginn des Projekts steht der Austausch unter den Konsortialpartnern im Fokus. Workshops, Trainings und Austauschtreffen vor Ort in Berlin, Aachen, Stuttgart, Wien und Budapest stehen somit auf der Tagesordnung. Ziele dieser Workshops sind einerseits die gegenseitige Ausbildung der Mitarbeitenden durch beispielsweise die Entwicklung von Bildungs- und Ausbildungsprogrammen für Ingenieure und Forscher im Bereich cyberphysische Produktionssysteme. Anderseits soll dadurch ein kooperativer, kundenorientierter Wertschöpfungsprozess für die EPIC InnoLabs geschaffen werden, um insbesondere die Innovationsfähigkeit ungarischer KMU durch die erleichterte Teilnahme an Forschungsprojekten zu fördern. Dies leistet einen Beitrag zur Verbesserung des Technologietransfers und der industriellen Innovation in Ungarn und führt zu einem besseren öffentlichen Verständnis von Wissenschaft und wissenschaftlicher Bildung.
Um den Austausch noch weiter zu intensivieren, sind auch längere Aufenthalte von Forschenden vor Ort bei den Konsortialpartnern Teil des Projekts. Dabei sollen Best-Practices beispielsweise hinsichtlich der Akquise von Industrieprojekten, dem Projektmanagement oder Talentakquisition ausgetauscht werden. Außerdem ergibt sich dadurch die Möglichkeit gemeinsam an Industrie- und Forschungsprojekten zu arbeiten und so weitere Handlungsfelder für Trainings und Workshops zu definieren. Gemeinsam mit den Kollegen der EPIC InnoLabs habe ich meine Idee eines Aufenthalts in Budapest konkretisiert und in verschiedenen Gesprächen mit den Leitern der EPIC InnoLabs verschiedene Ziele für diesen Austausch definiert. Wir wollen eine Plattform für den Wissensaustausch zwischen dem Fraunhofer IPA und den EPIC InnoLabs etablieren und gemeinsame Industrieprojekte erarbeiten. Dies soll als Grundlage für die zukünftige Zusammenarbeit dienen und die Beziehung zwischen Fraunhofer IPA, SZTAKI und EPIC InnoLabs stärken.
Über das Forschungsprojekt EPIC
Das Forschungsprojekt EPIC soll die sogenannte cyberphysische Produktion stärken, indem es Partner vernetzt und Kooperationen stärkt. Die großen Herausforderungen dieser neuen technologischen Ära, bei der Informations- und Kommunikationstechnologien die Produktion grundlegend verändern und revolutionieren, werden durch die Konzentration der multidisziplinären, teilweise überlappenden, teilweise komplementären Kompetenzen der EPIC-Partner aus Ungarn, Deutschland und Österreich beantwortet.
Wirtschaftlichkeit von plattformbasierten Supply-Chain-Netzwerken
Nun wohne und arbeite ich seit Anfang Juli in Budapest. Mithilfe eines ungarischen Kollegen habe ich eine Wohnung in der Innenstadt von Budapest gefunden. Von hier aus sind es circa 20 Minuten mit der Bahn zu den EPIC InnoLabs. Manchmal laufe ich die drei Kilometer auch zu Fuß, denn auf meinem Weg liegen einige der schönsten Sehenswürdigkeiten Budapests: Die Sankt-Stephans-Basilika, der Elisabethenplatz und natürlich die Freiheitsbrücke über die Donau mit Blick auf das Parlamentsgebäude. Unterwegs halte ich meist in einem der unzähligen kleinen Cafés an und bestelle einen Coffee to go. Im Büro herrscht eine sehr offene und angenehme Atmosphäre. Wir sitzen in einem modernen Großraumbüro mit etwa 20 Forscherinnen und Forschern der Fachrichtungen Maschinenbau, Wirtschaftsingenieurwesen, Mathematik und Betriebswirtschaftslehre.
Mein Arbeitsalltag besteht aus vielen gemeinsamen Diskussionen mit meinen Teammitgliedern vor Ort. Außerdem absolvieren wir gemeinsame Trainings mit anderen Fraunhofer-Instituten, arbeiten an gemeinsamen Industrie- und Forschungsprojekten, oder schreiben wissenschaftliche Veröffentlichungen. So untersuchen wir beispielsweise die Wirtschaftlichkeitseffekte von plattformbasierten Supply-Chain-Netzwerken. Solche Netzwerk-Plattformen bieten Produktionsfirmen die Möglichkeit Überkapazitäten zur Verfügung zu stellen beziehungsweise Kapazitäten im Falle einer Unterdeckung anzufordern. Im Rahmen unserer Forschung haben wir ein solches Netzwerk entworfen und im Anschluss dessen Wirtschaftlichkeit unter Unsicherheiten untersucht. Auch in Industrieprojekten lassen sich Synergien bilden. So konnten wir beispielsweise im Rahmen eines Projekts zur Netzwerkoptimierung die am Fraunhofer IPA konzeptionell entwickelten Supply-Chain-Konzepte mithilfe der EPIC InnoLabs simulieren und somit dem Kunden ein durchgängig entwickeltes und anhand einer Simulation bewertetes Konzept übergeben.
Budapest: durch die Donau geteilt, durch Brücken verbunden
Nach der Arbeit treffen wir uns oft gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen in der Budapester Innenstadt. Geteilt durch die Donau und verbunden durch zahlreiche Brücken, bietet Budapest unzählige Möglichkeiten zum Zeitvertreib. Sei es bei einem Pub-Crawl im jüdischen Viertel, gemütlichen Gesprächen am Ufer der Donau oder einem Kaffee in einer kleinen Kaffeebar. Allgemein hat Budapest ein reiches kulturelles und kulinarisches Angebot und dank der vielen Tipps meiner Kolleginnen und Kollegen konnte ich schnell die besten Adressen finden. Auch am Institut ergeben sich viele Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten. Sei es beim wöchentlichen Fußballspielen oder einem der EPIC InnoLabs-Tischtennisturnieren. So fühlte ich mich hier von Anfang an sehr willkommen und habe mich schnell eingelebt.
Nun, drei Jahre nach der ersten Planung meines Forschungsaufenthalts in Budapest, habe ich beim Blick in meinen Kalender mit Schrecken festgestellt, dass ich nun bereits am Ende meines Aufenthalts angekommen bin. Der Aufenthalt war eine sehr wertvolle Erfahrung für mich persönlich und Grundstein für die zukünftige Zusammenarbeit des Fraunhofer IPA mit den EPIC InnoLabs.
Gemeinsame Industrieprojekte, mehrere Veröffentlichungen zu plattformbasierten Supply-Chain-Netzwerken und Ideensammlungen für zukünftige Forschungsanträge sind ein paar Beispiele für die Ergebnisse meines Aufenthalts. Obwohl wir in Pandemiezeiten gelernt haben, remote zusammenzuarbeiten, ist die gemeinsame Zusammenarbeit vor Ort viel bereichernder – sowohl im Arbeitsleben als auch darüber hinaus. So habe ich die Herzlichkeit und Offenheit der Ungarn nicht nur bei der Arbeit, sondern auch während Freizeitaktivitäten erleben dürfen – eine Erfahrung, die mich für den Rest meines Lebens prägen wird. Ich danke all meinen ungarischen Kolleginnen und Kollegen für diese tolle und lehrreiche Zeit und dem Fraunhofer IPA für diese einzigartige Möglichkeit.
Karriere am Fraunhofer IPA
Du interessierst Dich für eine Anstellung im Bereich Fabrikplanung und Produktionsmanagement und willst vielleicht sogar auch einmal im Ausland arbeiten? Dann schau doch mal auf unserer Karrierewebseite nach spannenden Stellen.
Einen tieferen Einblick in die Arbeit am Fraunhofer IPA im Allgemeinen und in der Abteilung Fabrikplanung und Produktionsmanagement im Speziellen gibt Dir mein Kollege Markus Böhm.
Ihr Ansprechpartner
Andreas Kluth
Mitarbeiter des Forschungsteams Digitale Auftragsabwicklung
Telefon: +49 711 970-1942