Forscherin Inga Landwehr betrachtet eine Batterieelektrode in der Glovebox. (Quelle: Fraunhofer IPA/Foto: Rainer Bez)
Vorgestellt! Ein Tag mit… Inga Landwehr
Als Fachthemenleiterin für Energiespeicherzellen hat Inga Landwehr tagtäglich mit ganz verschiedenen Projekten und Themen rund um die Batterieforschung zu tun. »interaktiv« hat sie einen Tag lang begleitet und ihr bei der Arbeit über die Schulter geschaut.
Für einen kurzen Augenblick scheint das Gravitationsgesetz nicht zu gelten: Aus einem kleinen Becken steigt eine schwarz-graue Pulverwolke auf. Kaum eine Sekunde vergeht, ehe sie sich auf der Unterseite einer Kupferfolie abgelagert hat, die über das Becken gespannt ist. Forscherin Inga Landwehr steht vornüber gebeugt daneben und beobachtet das Schauspiel durch eine Glasscheibe. Das Pulver besteht größtenteils aus Graphit, den man von Bleistiftminen kennt, und Landwehr hat es unter elektrische Hochspannung gesetzt, damit es aufsteigt. Die Wissenschaftlerin von der Abteilung Beschichtungssystem- und Lackiertechnik am Fraunhofer IPA nimmt die Spannung weg, öffnet den Glaskasten und entnimmt die Folie, die jetzt hauchdünn mit Graphit beschichtet ist. »Das ist eine Rohelektrode«, erklärt sie. »Man müsste sie nun noch erhitzen und pressen und dann könnte man sie in einem Akku verbauen, der irgendwann mal ein Elektroauto antreiben könnte.«
Die Vorrichtung zur Trockenbeschichtung in dem Glaskasten gibt es in dieser Art nirgendwo sonst auf der Welt. Landwehr hat sie über Jahre entwickelt und verbessert sie unter anderem zusammen mit verschiedenen studentischen Hilfskräften stetig weiter. Sie nennt die Vorrichtung »Elektrostatisches Applikationsbecken«. Man kann damit Elektroden für herkömmliche Lithium-Ionen-Akkus und Superkondensatoren herstellen. Aber auch für die Herstellung neuartiger Festkörperbatterien wurde die Technik bereits getestet.
Mit offenen Augen durch die Welt
Die Weiterentwicklung der Trockenbeschichtung ist nur einer von Landwehrs Forschungsschwerpunkten. Sie beschäftigt sich auch allgemein mit der Batterieproduktionstechnik, mit dem Recycling ausgedienter Energiespeicher und mit der Qualitätssicherung. Als Fachthemenleiterin für Energiespeicherzellen ist sie außerdem Ansprechpartnerin für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus anderen Abteilungen am Fraunhofer IPA, für Kolleginnen und Kollegen von anderen Forschungseinrichtungen und für die Industrie. Diese Vielfalt an Themen, Projekten und Kontakten ist Landwehr wichtig. Mit offenen Augen durch die Welt gehen, Zusammenhänge erkennen und daraus lernen – das ist ihr Lebensmotto.
Diese Vielseitigkeit zieht sich durch ihr gesamtes Leben. Als Kind spielte sie nicht ein Instrument, sondern drei verschiedene: Blockflöte, Querflöte und Klavier. Im Kirchenchor, wo sie einmal pro Woche an den Proben teilnimmt, trifft sie die hohen Töne genauso wie die tiefen. An der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg belegte sie mit Chemie- und Bioingenieurwesen einen interdisziplinären Studiengang. Nach ihrer Masterarbeit stand für Landwehr zwar fest, dass sie in der Forschung bleiben wollte. Inhaltlich hielt sie sich aber mehrere Optionen offen – und griff bei der spannendsten zu. Am 1. April 2014 trat sie ihre Stelle am Fraunhofer IPA an.
Wenn Akkus altern
Feste Größen gibt es in ihrem Leben aber selbstverständlich trotzdem. Die Beschichtungstechnik ist nur eine davon. Wenn sie nicht gerade die Trockenbeschichtung weiterentwickelt, prüft Landwehr im Auftrag ihrer Kunden konventionell beschichtete Elektroden. Für die Demontage von Batteriezellen nutzt sie eine sogenannte Glovebox, einen geschlossenen Glaskasten, in den sie mit außen befestigten armlangen Handschuhen hineingreifen kann. In der Glovebox enthält die Atmosphäre kaum Wasser und Sauerstoff, dafür aber sehr viel Argon. »Unter normalen atmosphärischen Bedingungen könnten bei der Demontage Funken entstehen, die im schlimmsten Fall zu einem Brand führen«, erklärt Landwehr. Edelgase wie Argon hingegen reagieren kaum mit anderen chemischen Elementen. Funken und Feuer sind damit ausgeschlossen.
Landwehr wickelt die Elektrode, die ursprünglich im Akku eines Elektroautos verbaut war, in der Glovebox vorsichtig auseinander. An den Faltstellen sind Risse in der Beschichtung zu erkennen. »Die entstehen bei engen Wickelradien mit der Zeit, wenn ein Akku immer wieder aufgeladen und entladen wird«, sagt Landwehr. »Die Elektroden ›atmen‹ beim Laden und Entladen gewissermaßen. Das Volumen der Elektroden verändert sich und damit auch der Druck. Beim Aufladen erhöht sich der Druck in der Zelle und beim Entladen nimmt er wieder ab. Dabei altert das Material.« Die schadhaften Stellen tragen nichts mehr zur Speicherkapazität des Akkus bei und obendrein lagert sich das abgeplatzte Material andernorts ab und kann einen Kurzschluss verursachen.
Wie eine Batterieforscherin ihren Akku auflädt
Wenn Landwehr nach einem langen Arbeitstag oder einer stressigen Woche ihren persönlichen Akku aufladen möchte, hilft ihr das Singen im Kirchenchor, eine Wanderung oder eine Fahrt mit dem Mountainbike. Dabei bekommt sie den Kopf frei. Und wenn auch das nicht hilft, greift sie zum Äußersten und backt Kuchen, Muffins, Plätzchen oder dergleichen mehr. Manchmal spät abends noch. Wenn sie den Teig anrührt, erinnert sie das zwar an die Herstellung einer Dispersion für die Elektrodenbeschichtung, aber entspannen kann sie sich dabei trotzdem. Das Ergebnis ihrer nächtlichen Backaktionen bringt sie am nächsten Morgen zur Arbeit mit.
Ihre Ansprechpartnerin
M.Sc. Inga Landwehr
Fachthemenleiterin Energiespeicherzelle
Telefon: +49 711 970-1765