Im Robotik-Versuchsfeld des Fraunhofer IPA nehmen viele Gründungsideen erstmals Form an. (Quelle: Fraunhofer IPA/Foto: Rainer Bez)
Fünf Erfolgsfaktoren von Robotik-Start-ups am Fraunhofer IPA
In der Robotikforschung passiert in Deutschland unglaublich viel. Aber der Weg vom Labor ins Unternehmen ist bei zu vielen Demonstratoren noch steinig. Das Fraunhofer IPA fördert deshalb umfänglich den Technologietransfer und betreibt einen eigenen Start-up Inkubator. interaktiv zeigt, was es für erfolgreiches Gründen braucht.
Die Start-up-Szene rund um die Robotik ist in Deutschland sehr umtriebig. So gibt es aktuell mehr als 60 frisch gegründete Robotik-Unternehmen – fast zwei Drittel davon verteilen sich auf die boomenden Großräume München und Stuttgart, wie das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA gemeinsam mit der Fachzeitschrift »automationspraxis« im vergangenen Jahr ermittelt hat. Auch das Fraunhofer IPA selbst hat maßgeblichen Anteil an diesen Zahlen, denn es pflegt mit großer Motivation eine ausgeprägte Gründerkultur. Die Gründe hierfür und Mehrwerte durch die Ausgründungen sind vielfältig.
Neue Serie
An diesen Überblicksartikel knüpfen in den kommenden Wochen vier kurze Berichte von Robotik-Start-ups an.
Ausgefeilte Gründungsstrategie
Mit dem »Start-up Inkubator« hat die Institutsleitung um Professor Thomas Bauernhansl eine direkte Schnittstelle zwischen Forschung und Anwendung geschaffen, die den Technologietransfer durch Ausgründungen und Partnerschaften zum »New Normal« in der Forschung machen soll. Der Inkubator unterstützt Start-ups systematisch mit dem Ziel, erfolgreiche Ausgründungen zu fördern und gleichzeitig Rückflüsse für das Institut zu generieren. Zudem entstehen hochwertige Arbeitsplätze in Deutschland.
Der Inkubator ist Teil eines neu gegründeten Geschäftsbereichs, in dem Ausgründungen, Lizenz- und Patentgeschäfte sowie enge Kooperationen mit internationalen Universitäten und Instituten zu einer schlagkräftigen Transfereinheit gebündelt sind und von fünf erfahrenen Experten begleitet werden. Das Leistungsangebot richtet sich sowohl an interne als auch an externe Start-ups. Der Inkubator identifiziert und schafft gezielt Anreize für die Forschungsbereiche durch interne Förderprogramme, Lizenzverwertungsoptionen, Teambuilding-Maßnahmen und Co-Founder-Matching – mit dem Ziel, Talente langfristig für Gründungen zu motivieren. Darüber hinaus schafft das Leistungsangebot externe Nachfrage bei Unternehmen und Investoren und unterstützt den Technologietransfer in Industrie- und Forschungsprojekte. Gleichzeitig begleitet er institutsinterne Gründungsprojekte durch Verwertungsberatung, zum Beispiel in Fragen des geistigen Eigentums und der Lizenzierung sowie durch Unterstützung bei Förderprogrammen wie EXIST oder Fraunhofer-internen Förderprogrammen.
Ein weiterer Schwerpunkt ist das Beteiligungsmanagement: Flexible Beteiligungsmodelle wie virtuelle Anteile, Lizenzmodelle und EXIT-Klauseln werden angeboten, um die Ausgründungsbedingungen für Start-ups aus dem wissenschaftlichen Umfeld zu verbessern. Um Start-ups international zu vernetzen, baut der Inkubator ein globales Ökosystem auf – etwa durch Matchmaking-Veranstaltungen oder Formate, die Start-ups helfen, international Fuß zu fassen. Darüber hinaus stellt der Inkubator Infrastruktur wie eigene Transferzentren sowie Büro-, Werkstatt- und Laborflächen zur Verfügung, um gemeinsam Demonstratoren zu entwickeln oder an zukünftigem geistigem Eigentum zu arbeiten.

Mit dieser Strategie ist das Institut sehr erfolgreich: So gab es von 2015 bis 2024 insgesamt 18 Start-ups aus dem Fraunhofer IPA. Zwischen 2019 und 2021 lag die Quote pro 1000 Mitarbeitenden bei rund 3,5 Ausgründungen. Das ist ein Spitzenwert, der sogar das MIT in Boston, USA, überragt (2,2 Ausgründungen) und auch innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft aufhorchen lässt (1,5 Ausgründungen). Der Forschungsbereich »Automatisierung und Robotik« ist hier ganz vorn mit dabei, indem er etwa eine Ausgründung pro Jahr verzeichnen kann. Maßgeblich tragen dazu auch große strategische Forschungsprojekte wie das KI-Fortschrittszentrum »Lernende Systeme und Kognitive Robotik« bei. Die umfangreiche Förderung des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg trägt maßgeblich dazu bei, dass das KI-Fortschrittszentrum eine inhaltliche Brutstätte für mehrere Ausgründungsprojekte ist.
Spezifika beim Gründen in der Robotik
In der Robotikbranche zu gründen, ist herausfordernd und bietet gleichzeitig enorme Chancen. Einige Aspekte und Charakteristika sind entscheidend, um das Thema zu durchdringen. Der erste ist die Marktorientierung. Der demografische Wandel treibt die Robotik und eröffnet ein gigantisches Marktpotenzial, das perspektivisch größer als das des Autos oder des Smartphones sein dürfte.
Anders als bei diesen beiden und auch vielen weiteren Technologien gibt es jedoch in der Robotik keine Lösung nach dem Prinzip »One size fits all«. Jede Nische erfordert spezifische Hardware und maßgeschneiderte Lösungen, was die Vielfalt und zugleich die Komplexität der Branche deutlich erhöht. Es ist kaum möglich, hier wie bei anderen Technologien zu verfahren und »mal eben« etwas zu testen und danach weiter anzupassen. Das bedeutet auch, dass Investitionen und Entwicklungsprozesse entscheidend sind, da Trial-and-Error-Ansätze hier nicht zum Ziel führen. Robotik-Investitionen sind somit ein Investitionsgut, wie das weiter unten aufgeführte Unternehmen Premium Robotics mit seinem eigens entwickelten Greifer für die Intralogistik aufzeigt.
Fokus auf den Markt und individuelle Kundenbedarfe
Zentrale Themen sind auch der Product-Market-Fit und die Skalierbarkeit. Forschungsteams sollten sich weniger auf die Technologie selbst konzentrieren, sondern vielmehr auf die Bedürfnisse potenzieller Kunden eingehen und ein Gefühl für die Marktgröße entwickeln. Die Skalierbarkeit der Technologie sollte stets kritisch hinterfragt werden. Wenn diese passt, kann Robotik tatsächlich disruptiv wirken. Das bedeutet, dass sich etablierte Unternehmen schwertun, weil Robotik mitunter ihr bisheriges Geschäftsmodell unterwandert. Wenn sie jedoch offen für Robotik sind, kann zum Beispiel ein etablierter Gabelstaplerhersteller zum Roboterhersteller werden, indem er seine Fahrzeuge mit Autonomiefunktionen ausstattet. Wie das möglich wird, macht das Start-up Node Robotics deutlich, das Navigationssoftware anbietet.
Eine Studie des KI-Bundesverbands zeigt zudem, dass viele Start-ups mindestens im Bereich der KI von Personen mit akademischem Hintergrund gegründet werden. Der Anteil beträgt 41,5 Prozent, während er abseits davon bei lediglich 2,4 Prozent an Gründungen aus der Wissenschaft liegt. Für die Robotik dürfte, die mittlerweile oft Hand in Hand mit KI genutzt wird, dürfte der akademische Hintergrund ähnlich hoch sein wie bei den rein KI-basierten Start-ups. Die hohe Qualifikation ist notwendig, um die komplexen Herausforderungen der Hightech-Branche zu meistern. Insofern sind Einrichtungen rund um die angewandte Forschung ein ideales Sprungbrett für das Gründen: Sie bieten einerseits die Möglichkeit, sich im akademischen Umfeld weiter zu spezialisieren und haben andererseits bereits einen sehr starken Bezug zu Unternehmen. Marktorientierung und ein gewinnbringendes Netzwerk werden somit bereits vor dem Gründen gefördert.
Entscheidende Türöffner für Robotik-Start-ups
Ein weiteres Charakteristikum der Robotikbranche ist, dass es oft einen Systemintegrator oder Inverkehrbringer braucht, um eine Anwendung zu realisieren. Es genügt also nicht, zum Beispiel eine Maschine an den Endnutzer zu verkaufen und schon kann es losgehen. Zwischen Maschinenhersteller und Endnutzer braucht es die genannten Personen, um die oftmals hochspezialisierten und individuellen Anwendungen in die Praxis zu bringen. Hier tun sich viele Nischen für Start-ups auf: So gibt es beispielsweise das Start-up Cellios für die roboterbasierte Kabelmontage, das sich auf diese Mittlerstelle fokussiert und vollständige Roboterzellen für Endnutzer entwickelt und verkauft. Auch bestimmte Märkte können solche Nischen darstellen, wo man spontan gar nicht an Robotik denken würde. Deutlich macht dies das Beispiel des autonomen Reiterhofassistenten vom Fraunhofer IPA.
Nicht zuletzt sind die Geschwindigkeit und Finanzierung entscheidend für den erfolgreichen Einstieg in die Branche. Start-ups haben hier den Vorteil, dass sie fokussiert auf ihren Markt agieren können, Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten und Risikokapital haben und besonders agil agieren können. Und immer hängt der Erfolg beim Gründen von den Menschen ab, die sich für das Projekt einsetzen. Viele Eigenschaften und Fähigkeiten müssen zusammenkommen – und gleichzeitig sind die Aussichten auf Markterfolg mit dem eigenen Unternehmen für viele extrem motivierend.
Fünf Erfolgsfaktoren für ein erfolgreiches Robotik-Start-up
Als Quintessenz aus den spezifischen Branchenbedingungen und den Erfahrungsberichten über die Ausgründungen lassen sich einige Schritte benennen, die zwar keinen Erfolg garantieren, aber ihn zumindest wahrscheinlicher machen und wichtige Grundvoraussetzungen beim Gründen sind.
- Konsequente Marktorientierung: Der Markt ist das Ziel, nicht der Weg dorthin oder die tolle Technik, die am Ende zu teuer ist oder die Marktbedürfnisse nicht trifft. Das Angebot des Start-ups muss reale Probleme lösen, Nutzen stiften und Käufer finden, nicht sofort oder nicht gleich in Massen, aber es muss sich perspektivisch durch ausreichend Einnahmen selbst tragen können. Gerade bei technologiegetriebenen Gründungen (Deep Tech), wie in der Robotik, wird das häufig unterschätzt. Der Technologietransfer scheitert oft am fehlenden Product-Market-Fit. Eine klare Vision, welche gesellschaftlichen Herausforderungen gelöst werden und welche Märkte adressiert werden, ist essenziell.
- Groß denken, klein starten. Die Robotik ist ein weltweiter Markt, was einhergeht mit hohem Marktpotenzial, aber auch der Gefahr, sich zu verzetteln. Um als Robotik-Startup erfolgreich zu sein, bedarf es einer Spezialisierung auf eine Nische. Diese Spezialisierung geht mit einem konkreten Markt, einer eindeutigen Käufergruppe, klaren technischen Anforderungen und im besten Fall überschaubarer Konkurrenz einher. Sie ermöglicht Robotik-Start-ups, auch mit einem kleinen Team erfolgreich in der Nische zu werden und diese als Sprungbrett in größere Märkte zu nutzen. Gerade Deep-Tech-Start-ups, die oft aus exzellenter Forschung hervorgehen, verfügen über technologische Tiefe, Patente und Teams mit weltweiter Expertise. Diese Vorteile können den Markteintritt erleichtern, sofern die Kommerzialisierung aktiv geplant wird.
- Passende Teams sind unabdingbar: Gründen ist ein sehr besonderes (Lebens-)Projekt. Es braucht das nötige Fachwissen und es braucht Menschen, die dahinterstehen, es treiben und die in guten wie schlechten Zeiten einen langen Atem haben. Neben der Technologie muss insbesondere die Sprache des Markts wie auch der Venture Capitalists gesprochen und verstanden werden. Dies erfordert eine Rollenverteilung, sodass trotz kleiner Mannschaft jede Aufgabe eines Unternehmens personell abgedeckt ist. Viele wissenschaftsnahe Ausgründungen sind technisch hervorragend, aber oft nicht auf schnelles, risikobasiertes Wachstum vorbereitet. Es fehlt an unternehmerischem Denken, Teamvielfalt und Mut zur Skalierung. Hochschulen und Forschungseinrichtungen sollten daher gezielt unternehmerisches Know-how vermitteln.
- Aller Anfang ist auch Finanzierung: Start-ups haben andere Möglichkeiten als etablierte Unternehmen. Sie können Fördergelder oder Risikokapital erwerben, sind agil unterwegs, sehr anpassungsfähig und haben den Mut zu Neuem. Und das alles, ohne dass sie Rücksicht auf Bestandsumsätze nehmen können oder müssen. Diese Möglichkeiten zu leben und auszunutzen erfordert Mut und ist kein Garant für wirtschaftlichen Erfolg – aber vielfach doch ein entscheidender Türöffner, um die Innovation oder gar Disruption am Markt zu etablieren. Deep-Tech ist kapitalintensiv – lange Entwicklungszyklen und hohe Anfangsinvestitionen sind typisch. Doch diese Gründungen bieten nachhaltige Wettbewerbsvorteile und großes Upside-Potenzial, was sie für Investoren zunehmend attraktiv macht. Voraussetzung ist jedoch eine realistische Exit-Perspektive, etwa durch Börsengang oder Verkauf an die Industrie – damit Kapital in Europa bleibt.
- Geschwindigkeit: Weltweit träumen Menschen vom Robotereinsatz und davon, sich mit einem Unternehmen in der Robotik zu verwirklichen. Zusammen mit den Technologiesprüngen in der KI ist die Robotik ein hochdynamisches Feld. Geschwindigkeit ist daher das A und O. Wer technologisch die Nase vorn hat, kann sich im Wettbewerb behaupten. Deep-Tech »Made in Germany« überzeugt mit exzellenter Forschung, ausgereiften Prototypen und guter Kostenqualität – aber es braucht Tempo bei Gründung und Skalierung.
In den nächsten Wochen gibt es in loser Folge Einblicke in vier Beispiele von erfolgreichen Gründungsprojekten in der Robotik.
Ihre Ansprechpartner
Werner Kraus
Forschungsbereichsleiter Automatisierung und Robotik
Telefon: +49 711 970 1049
Stephan Nebauer
Geschäftsbereichsleitung Start-up Inkubator
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