Roboter bestücken Tragschienen mit Reihenklemmen

Tragschienenbestückung per Roboter

Die Software »pitasc« vom Fraunhofer IPA ermöglicht, kraftgeregelte Montageprozesse wie die Bestückung von Tragschienen mit einem Roboter auszuführen. (Quelle: Fraunhofer IPA/Foto: Rainer Bez)

Roboter bestücken Tragschienen mit Reihenklemmen

Schlau programmierte Roboter anstelle einer teuren Anlage für die automatisierte Tragschienenmontage: Die Software »pitasc« vom Fraunhofer IPA macht dies möglich. Mithilfe von Programmbausteinen lassen sich Roboter kraftgeregelt programmieren. Ein Bericht über ein gemeinsames Projekt mit der Firma Wago.

Veröffentlicht am 24.6.2021

Lesezeit ca. 3 Minuten

Ein Leichtbauroboter nimmt ein Bauteil mit seinem Zweifingergreifer auf, führt es zum Aufsteckort und lässt es mithilfe einer kraftgeregelten Einkipp-Bewegung fest einrasten. Die Programmierung ist werkstückbezogen und die Kraftregelung kann Bauteil- und Lagetoleranzen geschickt kompensieren. Wird die Montageanwendung neu angeordnet oder soll eine neue Bauteilvariante montiert werden, ist es nicht nötig, den Roboter neu zu programmieren – eine einfache Parameteranpassung genügt. Diese Anwendung haben Forschende am Fraunhofer IPA umgesetzt. Die voll- oder teilautomatisierte Montage ist ein wichtiges Forschungsfeld, da dieser Produktionsschritt immer noch weitgehend manuell erfolgt. Herausforderungen für die wirtschaftliche Automatisierung sind kleine Losgrößen, viele Varianten und individuelle Prozesse.

Flexible Automatisierungslösung gesucht

Viele Schaltschrankbauer stehen häufig vor diesen Herausforderungen, das wissen die Verbindungstechniker von Wago. Die Bestückung eines Schaltschranks erfordert viele manuelle Arbeitsschritte, die den Prozess zeitaufwendig, teuer und fehleranfällig machen. Um bestehende Prozesse zu optimieren, ist die Vollautomatisierung deshalb nicht immer die richtige Lösung. Zwar bringt sie eine Vereinheitlichung und Arbeitsentlastung mit sich, aber auch höhere Kosten bei niedrigen Stückzahlen. Zudem passen spezialisierte Bestückungsautomaten häufig nicht zu den individuellen Anforderungen. Laut Wago reicht meistens auch schon eine Vereinfachung oder Digitalisierung der manuellen Prozesse aus.

Falls doch eine Automatisierung notwendig ist, sind handelsübliche Roboterarme von Nutzen. Sie sind günstig und flexibel einsetz- und erweiterbar. Aber können Standardroboter überhaupt Tragschienen bestücken? Michael Dörbaum, Teamleiter Produktmanagement Schaltschrankkomponenten bei Wago, kann dies bestätigen, selbst bei Klemmen mit komplexen Bauformen. Wago und das Fraunhofer IPA haben in einem gemeinsamen Projekt ein Testszenario für solch eine Tragschienenbestückung aufgesetzt. Ein Roboter sollte verschiedene Topjob-S-Wago-Reihenklemmen auf Tragschienen aufrasten. Dabei testete er Mehrstockklemmen, Gebäudeinstallationsklemmen und solche mit leitfähiger Tragschienenkontaktierung. Ein weiteres Kriterium war die Packungsdichte der montierten Klemmen für das spätere Beschriften.

Software für kraftgeregelte Montageaufgaben

Das Fraunhofer IPA bietet für herausfordernde Montageaufgaben dieser Art seinen Softwarebaukasten »pitasc«. Damit können Montageanwendungen strukturiert programmiert werden. Modellierte Aufgaben sind schnell auf neue Produkte oder Roboter übertragbar. Der Baukasten enthält fertig einsetzbare und wiederverwendbare Programmbausteine. Sie können bei der Einrichtung eines Robotersystems individuell zusammengestellt, parametriert und eingesetzt werden. Pitasc nutzt zudem Sensorik für eine aktive Regelung der Prozesskräfte, beispielsweise eine integrierte Kraftsensorik. Das Robotersystem kann Bauteil- und Lagetoleranzen ausgleichen und somit die empfindlichen Bauteile schonen.

Roboter meistert Varianten und Steckprozess

Die Tests mit den Wago-Reihenklemmen verliefen erfolgreich. Mit pitasc konnte der Roboter alle Klemmen stecken. Die Programmparameter erlaubten eine Anpassung der Software an die Varianten der Klemmen. Der Roboter ermöglichte die gewünschte Packungsdichte, indem er kraftgeregelt gegen das bereits montierte Pack drückte. Somit zeigt sich, dass eine Montageautomatisierung auch mit Robotern und Komponenten »von der Stange« technisch möglich ist. Bei der Automatisierung der Schaltschrankfertigung gibt es viele individuelle Anforderungen zu berücksichtigen, aber selbst mit Standardhardware ist dies gut realisierbar. So bleiben die Investitionskosten überschaubar und die Anwendung ist zugleich flexibel auch gegenüber Varianten. Für den industriellen Einsatz bedarf es dennoch weiterer Arbeiten, da sich die Anforderungen hinsichtlich Komponenten, Durchlaufzeiten und Prozessschritten erheblich zwischen den Schaltschrankbauern unterscheiden.

Die Ausführungen zeigen: Es gibt nicht den einen Weg zur Automatisierung der Schaltschrankfertigung. Weitere Fragen sind noch offen, zum Beispiel ob auch direkt in den Kleinverteilern bestückt und verdrahtet werden kann oder wie die Klemmen optimal zugeführt werden. Aber das erfolgreich getestete Bestücken von Tragschienen mit pitasc ist ein guter Startpunkt für weitere Kooperationen auf diesem Gebiet.

Jetzt mit dem Fraunhofer IPA kooperieren!

Suchen auch Sie nach einer individuellen Automatisierungslösung, aber eine robotergestützte Montage erscheint Ihnen zu aufwendig? Unsere Pitasc-Experten vom Fraunhofer IPA unterstützen Sie gerne. Melden Sie sich bei uns und wir setzen uns umgehend mit Ihnen in Verbindung!

Ihr Ansprechpartner

Dipl.-Ing. Frank Nägele

Leiter der Gruppe Roboterprogrammierung und -regelung
Telefon: +49 711 970-1063