Die Gewebemühle

TissueGrinder

Der TissueGrinder erzeugt Einzelzellen aus Gewebeproben. (Quelle: Fraunhofer IPA)

Die Gewebemühle

Mit einer automatisierten Miniatur-Mühle für empfindliches Zellgewebe lassen sich lebende Zellen aus einer Gewebeprobe herauslösen. Die Technik wurde am Fraunhofer IPA entwickelt. Dieses mittlerweile an das Start-up Fast Forward Discoveries GmbH auslizenzierte Verfahren schafft eine wichtige Voraussetzung für die personalisierte Medizin.

Veröffentlicht am 15.02.2024

Lesezeit ca. 4 Minuten

Jeder Tumor ist anders. Eine optimale Therapie muss daher auf den einzelnen Patienten zugeschnitten sein. Doch um testen zu können, welches Chemotherapeutikum im Einzelfall das beste ist, braucht man lebende Zellen. Diese müssen unbeschadet und möglichst unverändert aus einer Gewebeprobe isoliert werden. Bisher war das kaum möglich. Die Zellen werden in der Regel manuell aus dem Gewebe geschnitten oder durch Enzyme herausgelöst. Der Einsatz von Enzymen ist zeitintensiv, hinterlässt Spuren auf der Zelloberfläche und kann damit das Ergebnis der weiteren Untersuchungen beeinflussen. »Die Gewinnung von Einzelzellen aus Gewebeproben ist nach wie vor einer der Flaschenhälse bei der personalisierten Tumortherapie und Diagnostik«, sagt Jens Langejürgen, Leiter der Abteilung Klinische Gesundheitstechnologien am Fraunhofer IPA in Mannheim und einer der Mitbegründer des Start-ups Fast Forward Discoveries GmbH.

TissueGrinder-Technologie

Zusammen mit seinen Kollegen hat Langejürgen am Fraunhofer IPA ein Gerät weiterentwickelt, das aus Gewebeproben automatisiert, schnell und enzymfrei lebende Zellen extrahiert. Der TissueGrinder funktioniert wie eine Gewürzmühle. Durch eine angepasste Geometrie des Mahlwerks, in der Schneid- und Scherkräfte abwechselnd kombiniert werden, trennt der TissueGrinder schonend das Gewebe, ohne Zellen zu zerstören oder zu verändern. Diese sogenannte mechanische Dissoziation ermöglicht eine standardisierte Probenaufbereitung und anschließende Filtration in einem geschlossenen sterilen System, basierend auf Standardlaborartikeln. Um hochwertige Einzelzellsuspensionen aus frischen und gefrorenen Gewebeproben oder aus Formalin-fixierten Paraffin-eingebettetem (FFPE-)Gewebe für eine Vielzahl von Anwendungen bereitzustellen, kombiniert die TissueGrinder-Technologie intelligente Regelalgorithmen mit mechanischer Dissoziation.

Markteinführung

Das Fraunhofer IPA unterstützte in Zusammenarbeit mit Fraunhofer Venture die systematische Verwertung dieser Technologie im Rahmen des Fraunhofer-Förderprogramms für Ausgründungen AHEAD. So analysierten Langejürgen und sein Kollege Stefan Scheuermann in der ersten Förderphase zunächst den Markt, bauten ihr Team auf und testeten einen Prototyp des zukünftigen TissueGrinder. In der zweiten Phase standen der Unternehmensaufbau und die Konzeptionierung eines marktfähigen Produkts im Vordergrund. »Die Herausforderung lag darin, in anderen Dimensionen zu denken: Für die Produktion eines Geräts, das sich vermarkten lässt, braucht man größere Stückzahlen, die Teile müssen sich mit gängigen Verfahren – zum Beispiel mit Spritzguss – fertigen lassen, das fertige Produkt muss einfach aufgebaut und auch leicht zu bedienen sein. Und das Ganze zu einem attraktiven Preis«, berichtet Scheuermann. Im Mai 2020 wurde die Fast Forward Discoveries GmbH offiziell gegründet.

Gründerteam der Fast Forward Discoveries GmbH
Stefan Scheuermann, Felix Dirla und Jens Langejürgen (von links nach rechts) sind die Gründer der Fast Forward Discoveries GmbH.

Einzelzellen auf Knopfdruck

Der fertige TissueGrinder ist nicht größer als ein Schuhkarton und kann vier Gewebeproben auf einmal bearbeiten. Ein Durchgang dauert weniger als fünf Minuten. Nach dem Mahlvorgang werden Gewebereste und Blut automatisch abfiltriert, die isolierten Zellen wandern in einen eigenen Behälter. Das Gerät wird über eine intuitive Software gesteuert, durch welche die Mitarbeitenden im Labor unter den Voreinstellungen für verschiedene Gewebearten – beispielsweise Lymphknoten, verschiedene Tumore, Leber oder Knorpel – wählen oder auch selbst Einstellungen vornehmen können. Auf Knopfdruck liefert das Gerät dann lebende Zellen aus Gewebeproben.

Ihre Ansprechpartner

Jens Langejürgen

Leiter der Abteilung Klinische Gesundheitstechnologien
Telefon +49 621 1720718

Stefan Scheuermann

Mitarbeiter der Gruppe Biomedizinische Sensoren und Mikrosysteme
Telefon +49 621 17207147