Mit Energieflexibilität zur Energiewende

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Quelle: Adobe Stock

Mit Energieflexibilität zur Energiewende

Durch die Energiewende wird sich der Stromverbrauch in Deutschland bis 2045 in etwa verdoppeln. Hinzu kommt, dass Energie aus erneuerbaren Ressourcen nicht immer beliebig verfügbar ist. Unternehmen müssen daher ihre Prozesse so gestalten können, dass sich ihr Energieverbrauch flexibel an das volatile Energieangebot anpasst.

Veröffentlicht am 29.06.2023

Lesezeit ca. 5 Minuten

Im Kopernikus-Projekt »SynErgie« und im Forschungsprojekt »DC-INDUSTRIE2« hat das Fraunhofer IPA gemeinsam mit Partnern Strategien für Energieflexibilität entworfen sowie Technologien identifiziert und entwickelt. Mit diesen werden Unternehmen befähigt, die volatile Erzeugung durch erneuerbare Energien besser zu nutzen. Damit sind Voraussetzungen geschaffen, den Energiebedarf der deutschen Industrie mit dem volatilen Energieangebot zu synchronisieren.

Flexibel durch Speichertechnologien und Energieträgerwechsel

Wie kann die Industrie den Energieverbrauch flexibel an das volatile -angebot anpassen? Die Produktion kann ja nicht einfach mit dem Wetter hoch- und heruntergefahren werden. Wenn Unternehmen in die Lage versetzt werden, Prozessfenster und Energiespeicher zu nutzen, können sie Energieangebot und -nachfrage ausbalancieren: Einige meist vorgelagerte Prozesse werden heruntergefahren, sobald der Strom knapp und teuer ist und wieder hochgefahren, wenn er im Überschuss vorhanden ist. Andere für die laufende Produktion entscheidende Prozesse werden über Energiespeicher versorgt. So bleibt am Ende des Tages die Kundenbelieferung trotzdem sichergestellt.

Eine andere Variante wäre: Die Produktion wird dem Wetter insofern angepasst, als dass der Energieträger mit dem Wetter gewechselt wird. Sprich: Wenn der Strom knapp wird, wird die Produktion bei durchlaufzeitkritischen Prozessen mit einem anderen Energieträger weitergefahren. Eine Beispieltechnologie ist der sogenannte bivalente Schmelzofen. Das heißt, dass ein Schmelzofen oder eine Anlage, die auf Basis von Strom funktioniert auch auf Basis eines alternativen Energieträgers läuft. Wenn jetzt der alternative Energieträger günstiger oder Strom aus irgendeinem Grund nicht verfügbar ist, dann wechselt die Anlage automatisch auf den zweiten Energieträger und stellt damit die Produktion sicher.

Effizient mit DC-Netzen

Eine weitere Möglichkeit, den Stromverbrauch in der Produktion zeitlich flexibel auszurichten, bietet die DC-Technologie. Mit Gleichstrom (engl. Direct Current, kurz: DC) können Unternehmen ihren Betrieb energieflexibel und hocheffizient gestalten, weil DC Bremsenergie aus Prozessen direkt wiedergewinnen, fachsprachlich ausgedrückt »rekuperieren«, kann und mit geringeren Wandlungsverlusten für andere Verbraucher bereitstellt. Sind energieflexible Anlagen, deren Energieaufnahme sich temporär verändern lässt, oder elektrische Speicher in einem offenen DC-Netz verbunden, so kann die dezentrale Regelung aufwandsarm die Energieverteilung zwischen den Systemen und dem Bezug aus dem Netz regeln. Damit wird einfach ein energieflexibler Betrieb realisiert. Gleichzeitig steigt die Energieeffizienz und Ressourcen, zum Beispiel der Kupferbedarf in den Leitungen, werden eingespart.

Die Produktion mit der Stromerzeugung synchronisieren

Um Schwankungen im Stromnetz auszugleichen, ist Energieflexibilität ein wesentliches Mittel. Damit der Energiebedarf der einzelnen Unternehmen effektiv mit dem volatilen Energieangebot synchronisiert werden kann, bedarf es noch eines anderen Instruments. Im SynErgie-Projekt entsteht eine sogenannte Energiesynchronisationsplattform. Sie besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil, die Unternehmensplattform, kann die einzelnen Flexibilitäten eines Unternehmens überwachen und zusammenzuführen. Sie sagt dem Unternehmen, wann es welche Flexibilität hat und wie es diese am Markt nutzen könnte, um günstig Energie einzukaufen oder zu verkaufen, wenn es sie vorher schon eingekauft hat.

Der zweite Teil ist eine Marktplattform. Sie sorgt dafür, dass Unternehmen, die Flexibilität nachfragen, mit dem Angebot zusammenkommen. Sogenannte Aggregatoren können sich auf der Plattform registrieren und ihr Interesse anmelden, Flexibilitäten einzukaufen oder zu verkaufen. Die Marktplattform vermittelt dann die Unternehmensflexibilitäten an die Flexibilitätsvermarkter. Und die Vermarkter wiederum verkaufen dann die Flexibilität an der Energiebörse. Die Energiesynchronisationsplattform vermittelt also zwischen den Händlern an den Energiebörsen und den Unternehmen, die Flexibilität bereitstellen können. Sie ist keine Energiehandelsplattform, bietet aber ein komplexeres Vermittlungsniveau als bisherige Plattformbetriebe, die typischerweise Einzelanlagen in Unternehmen schalten.

Kopernikus-Projekt »SynErgie«

SynErgie ist Teil der Kopernikus-Projekte und arbeitet an der Energieflexibilisierung der Industrie. Zusammen bilden vier Projekte eine der größten Forschungsinitiativen der Bundesregierung zum Thema Energiewende. Im Kopernikus-Forschungsprojekt SynErgie entwickelt das Fraunhofer IPA in Zusammenarbeit mit mehr als 90 Industrieunternehmen, Wissenschaftsorganisationen und der Zivilgesellschaft Technologien, Konzepte und Maßnahmen, um Produktionsprozesse und Querschnittstechnologien an ein volatiles Energieangebot anzupassen. Ziel ist es, die Industrie zu befähigen, insbesondere den Stromverbrauch zeitlich flexibel zu gestalten und damit einen Beitrag zu leisten, um die schwankende Erzeugung durch erneuerbare Energien besser nutzen zu können. Ein inhaltlicher Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung einer IT-Plattform, mit der Unternehmen Energieflexibilität von der Produktionsmaschine bis zu den Energiemärkten durchgängig abbilden, automatisieren und vermarkten können.

Laufzeit: 2016 bis 2026

Projektleitung und Gesamtkoordination: Institut für Energieeffizienz in der Produktion (EEP) der Universität Stuttgart, Fraunhofer IPA

Fördergeber: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)

Fördersumme: Bis zu 100 Millionen Euro

Weitere Informationen: https://synergie-projekt.de/

Eine weitere Plattform ist im KMUInnovativ-Projekt »Climate Solution for Industries« (CS4I) entstanden. Auf ihr kann aus Messdaten ein produktscharfer »True Footprint« ermittelt werden kann.

Ihr Ansprechpartner

Dr.-Ing. Timm Kuhlmann

Leiter der Abteilung Industrielle Energiesysteme
Telefon: +49 711 970-1903