Quelle: Universität Stuttgart IFF/Fraunhofer IPA, Foto: Rainer Bez, Heike Quosdorf)
Zukunftsfähige Fabrikplanung beginnt mit klaren Zielen
Wer eine Fabrik plant, gestaltet mehr als nur Gebäude und Produktionslinien, sondern schafft ein Fundament, das über Jahrzehnte die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens bestimmt. Ein wichtiger, jedoch oft vernachlässigter Schritt dabei ist die Zielfestlegung. Denn nur wer weiß, wohin die Reise geht, kann den besten Weg dorthin planen.
Veröffentlicht am 02.10.2025
Lesezeit ca. 7 Minuten
Von Marc-André Berchtold
Zielfestlegung: Die Richtung bestimmen
In der Fabrikplanungsmethodik des Fraunhofer IPA (siehe Abbildung 1) bildet die Zielfestlegung die erste Phase eines Fabrikplanungsprojekts. Im Rahmen dieser ersten Phase wird die Unternehmensstrategie analysiert, strategische Festlegungen für die zu planende Fabrik getroffen und Prämissen für die Planung formuliert. Zentraler Bestandteil dieser Phase ist es, die Aufgaben der Fabrik zu verstehen sowie Marktanforderungen und technologische Trends in konkrete Fabrikziele zu übersetzen.
Warum ist das so wichtig? Weil eine Fabrik nicht für drei, sondern für dreißig Jahre gebaut wird. Schon heute müssen Sie berücksichtigen, wie sich Märkte, Technologien und Regularien in Zukunft entwickeln werden. Werden Ihre Kunden höhere Flexibilität verlangen? Werden neue Produktionsverfahren relevant? Oder werden Nachhaltigkeitsanforderungen Ihr Geschäftsmodell verändern? Indem Sie sich bereits zu Beginn einer Fabrikplanung mit Fragen wie diesen und möglichen zukünftigen Veränderungen bewusst auseinandersetzten, kann die Gefahr für eine Fehlplanung reduziert werden.

Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die Phase der Zielfestlegung trotz ihrer Wichtigkeit für den Projekterfolg häufig – bewusst oder unbewusst – nur unzureichend berücksichtigt wird. Das liegt vor allem an der Komplexität dieser Phase. Schließlich ist es nicht trivial sich über mögliche zukünftige Veränderungen und deren Einflüsse auf eine Fabrik im Klaren zu werden. In unseren Projekten versuchen wir uns daher im Rahmen der Zielfestlegung auf das Wesentliche zu fokussieren. Besonders hilfreich ist beispielsweise die Strukturierung des Produktportfolios in Produktfamilien. Diese Produktfamilien werden auch im weiteren Verlauf der Planung, zum Beispiel im Rahmen der Wertstromanalyse, zugrunde gelegt. Im Rahmen der Fabrikplanungsmethodik des Fraunhofer IPA haben wir eine Vorgehensweise für die Zielfestlegung entwickelt, die eine systematische Ermittlung zukünftiger Einflüsse, sogenannter Veränderungstreiber, unterstützt (siehe Abbildung 2):
Seminar »Fabrik und Erweiterungsplanung«
Im zweitägigen Seminar »Fabrik und Erweiterungsplanung« lernen Sie, Fabriken zukunftsfähig zu gestalten – von der Zielfestlegung bis zur Konzeption einer realisierbaren Fabrik.
Wann? 11./12. November 2025, 08:30 Uhr–17:00 Uhr
Wo? Fraunhofer IPA, Nobelstraße 12, 70569 Stuttgart
- Einflüsse erfassen – Mit einer Strategie-Matrix werden relevante Entwicklungen identifiziert: von Kundenanforderungen über Technologien bis hin zu Standortfragen.
- Ziele ableiten – Die Einflüsse werden in ein klares Zielportfolio übertragen. Dabei werden Fabrik- und Produktionssystemziele eindeutig auf die Dimensionen Variabilität, Qualität, Geschwindigkeit und Wirtschaftlichkeit übertragen.
- Zielprofil erstellen – Durch Gewichtung entsteht ein maßgeschneidertes Zielprofil, das Ihre Fabrik auf lange Sicht ausrichtet.
- Bewertungskriterien formulieren – Aus den gewichteten Fabrikzielen lassen sich projektspezifische Bewertungskriterien für die spätere Bewertung und Auswahl von Layoutvarianten definieren.

Das Ergebnis: Sie schaffen ein gemeinsames Verständnis im gesamten Projektteam und auf Managementebene und legen die Leitplanken für alle weiteren Planungsschritte fest.
Grundlagenermittlung: Fakten für fundierte Entscheidungen schaffen
Nach der Zielfestlegung folgt die systematische und detaillierte Analyse Ihrer bestehenden Produktions- und Fabrikstrukturen im Rahmen der zweiten Phase, der Grundlagenermittlung. Denn nur wer den Ist-Zustand versteht, kann die richtigen Entscheidungen für die Fabrikgestaltung treffen.
Das Fraunhofer IPA nutzt dabei bewährte Methoden und entwickelt diese stetig weiter, zum Beispiel:
- Wertstrom- und Prozessanalysen, um Material- und Informationsflüsse zu visualisieren und Schwachstellen zu identifizieren.
- Bewertungen der Veränderungsfähigkeit, um zu prüfen, wie flexibel Ihr heutiges Produktionssystem auf zukünftige Anforderungen reagieren kann.
- Layout- und Gebäudeanalysen, die Aufschluss über Erweiterungs- oder (Um-)Nutzungspotenziale geben.
- Materialfluss- und Intralogistikanalysen, die Optimierungspotenziale im innerbetrieblichen Transport und in der Logistik aufdecken.

Diese Analysen liefern die Datenbasis, auf der Ihre Fabrikplanung aufsetzt. Sie ermöglichen die Identifikation von Verschwendungen und eine erste Einschätzung zur Erreichbarkeit der formulierten Ziele. Außerdem schaffen Sie eine belastbare Grundlage für die Entwicklung eines zukunftsfähigen Fabrikkonzepts.
Ihr Nutzen: Klarheit, Sicherheit, Zukunftsfähigkeit
Für Planungsverantwortliche im Unternehmen bringt der methodische Ansatz des Fraunhofer IPA drei entscheidende Vorteile:
- Klarheit: Sie und Ihr Team wissen genau, welche Ziele verfolgt werden und wie diese im Projekt umgesetzt werden sollen.
- Sicherheit: Sie treffen Entscheidungen nicht aus dem Bauch heraus, sondern auf Basis von Strategie, Daten und bewährten Methoden.
- Zukunftsfähigkeit: Ihre Fabrik wird so geplant, dass sie flexibel auf Veränderungen reagieren kann und Ihr Unternehmen langfristig wettbewerbsfähig bleibt.
Fazit
Die ersten beiden Phasen der Fraunhofer-IPA-Fabrikplanungsmethodik – Zielfestlegung und Grundlagenermittlung – sind weit mehr als formale Schritte. Sie sind die entscheidende Grundlage für den Erfolg Ihrer Fabrikplanung und die weiteren Phasen Produktionssystemplanung, Ideallayoutplanung sowie Realplanung. Wer von Beginn an methodisch vorgeht, stellt sicher, dass jede Investition in Gebäude, Maschinen und Prozesse zielgerichtet und zukunftssicher erfolgt.
Zum Weiterlesen
Klaus Erlach, Marc-André Berchtold, Christian Kaucher (2024): Die Matrix der vier Limitationstypen in der Fabrikplanung. Vorgehen zur strukturierten Erfassung der Rahmen- und Randbedingungen sowie der intrinsischen und extrinsischen Restriktionen. ZWF, 119, 6, S. 396 – 400. Berlin/Boston: Walter de Gruyter GmbH.
Klaus Erlach, Marc-André Berchtold, Christian Kaucher, Alexander Kronschnabl (2025a): Systematische Festlegung von Fabrikzielen. Strategie-Matrix, Zielportfolio und Zielprofil als integrierter Ansatz zur Zielfest-legung in der Fabrikplanung. ZWF, 120, 7-8, S. 489 – 495. Berlin/Boston: Walter de Gruyter GmbH.
Marc-André Berchtold, Alexander Kronschnabl, Klaus Erlach, Natalie Pipper (2025b): Fabrikzielorientierte Bewertung von Layoutvarianten. Systematische Festlegung von projektspezifischen Bewertungskriterien in der Fabrikplanung. ZWF, 120, 9, S. 569 – 574. Berlin/Boston: Walter de Gruyter GmbH.
So schaffen Sie nicht nur eine neue Fabrik, sondern die Basis für nachhaltigen Unternehmenserfolg.
Serie »Von der Idee zum Fabrikkonzept«
In mehreren Serien von interaktiv-Beiträgen gibt das Forschungsteam Fabrikplanung und Wertstromdesign Einblicke in verschiedene Themenschwerpunkte. Erschienen ist in dieser Serie bereits:
Ihre Ansprechpartner
Marc-André Berchtold
Stv. Forschungsteamleiter Fabrikplanung und Wertstromdesign
Telefon: +49 711 970-1780
Christian Kaucher
Forschungsteamleiter Fabrikplanung und Wertstromdesign
Telefon: +49 711 970-1865