Quelle: SyncTwin/Michael Wagner
Fabrikplanung im Industrial Metaverse
Grafikkarten werden leistungsfähiger, KI wird intelligenter, XR ausgereifter und ein einheitliches Standardformat immer bekannter. Dadurch erlebt das Industrial Metaverse einen Aufschwung. Mögliche Anwendungsfälle reichen von der Entwicklung eines digitalen Fabrikkonzepts über die Hochlaufbetreuung bis hin zum Einsatz im Betrieb.
Veröffentlicht am 04.12.2025
Lesezeit ca. 6 Minuten
Von Alexander Kronschnabl, Christian Kaucher (beide Fraunhofer IPA) und Michael Wagner (SyncTwin GmbH)
Entwicklung des »Industrial Metaverse-Demonstrators«
Es existiert eine Vielzahl an Videos von Leuchtturmprojekten großer Unternehmen wie BMW, Mercedes-Benz oder Kion, die ihre Projekte im Industrial Metaverse planen. Doch Marketing und Realität sind oft schwer zu trennen. Gleichzeitig verspricht das Industrial Metaverse auch für den Mittelstand großes Potenzial: schneller planen, sicherer entscheiden, Risiken frühzeitig erkennen.
Um diese Versprechen greifbar zu machen, haben Expertinnen und Experten vom Fraunhofer IPA sowie von den Firmen Ipolog und Dbeyond gemeinsam einen Industrial Metaverse-Demonstrator entwickelt. Ziel war es, anhand konkreter Use Cases zu zeigen, inwiefern ein durchgängiger Datenfluss in der Fabrikplanung zur Wertschöpfung beiträgt und wo die heutigen Grenzen liegen.
Die Partner im Detail:
- Alexander Kronschnabl und Christian Kaucher vom Fraunhofer IPA beschäftigen sich in Industrie- und Forschungsprojekten sowie in der Lehre intensiv mit dem Querschnittsthema der Digitalisierung in der Fabrikplanung. Im Fokus steht dabei das Industrial Metaverse als disruptive Innovation, wobei insbesondere Aspekte wie die Toolchain, der Zugang des Mittelstands und die Interaktivität untersucht werden.
- Michael Wagner (CTO der Ipolog GmbH, CEO der SyncTwin GmbH und Nvidia Omniverse Community Ambassador) sowie Matthias Kellermann (CEO der Ipolog GmbH) verfügen über fundierte Erfahrung im Bereich Industrial Metaverse. So wurde beispielsweise mit dem Ipolog-Konnektor einer der ersten bidirektionalen Expertenwerkzeug-Schnittstellen für das Nvidia Omniverse Zudem war SyncTwin an verschiedenen Leuchtturmprojekten beteiligt, darunter Werke von BMW.
- Patrick Lindgren ist Manager und Markus Junginger Partner im Bereich Advanced Technologies der Dbeyond AG. Mit ihrer Lösung einer digitalen Aorta wollen sie insbesondere mittelständische Unternehmen unterstützen und sehen das Industrial Metaverse als zentrale Innovation dafür.
Fabrikplanung mit OpenUSD
Univeral Scene Description (USD) wurde von der Firma Pixar entwickelt und stellt ein Dateiformat beziehungsweise Framework dar, um komplexe 3D-Szenen samt Metadaten effizient zu speichern und auszutauschen. OpenUSD ist die offene und standardisierte Variante dieses Formats. Die Alliance for OpenUSD (AOUSD) treibt dessen Förderung und Weiterentwicklung mit dem Ziel voran, OpenUSD als offenen, interoperablen 3D-Standard für Film, Industrie, Simulation und AR/VR zu etablieren. Im industriellen Kontext nimmt die Plattform Omniverse von Nvidia eine führende Position im Markt ein und setzt dabei auf OpenUSD als zentrales Format.
OpenUSD und Omniverse tragen dazu bei, die Fabrikplanung und den Fabrikbetrieb einfacher und zugänglicher zu machen, indem sie verschiedene Aspekte des Fabriksystems in einem zusammenhängenden digitalen Modell integrieren lassen. Mit OpenUSD können visuelle Daten, Produktionsdetails und Ressourcen aus einer Vielzahl von Dateiformaten an einem Ort integriert werden. Die Flexibilität von OpenUSD ermöglicht zudem eine unkomplizierte Bearbeitung und Interaktion komplexer 3D-Assets und Animationen.
Use Case: Niederschwelliger Einstieg in die digitale Fabrikplanung
Die meisten mittelständischen Unternehmen arbeiten in der Fabrikplanung noch mit zweidimensionalen Daten und nutzen PowerPoint, Visio oder visTABLE, um ihre Layouts darzustellen. Genau hier setzt der Demonstrator an, indem bestehende 2D-Pläne als Grundlage dienten und darauf aufbauend ein interaktives, dreidimensionales Planungs- und Simulationsumfeld modelliert werden konnte.
Erzeugte Daten landen nicht mehr in der Schublade, sondern werden weiterverwendet. Wie der Demonstrator zeigt, dienen die ursprünglichen Grundrisse und Layouts nach ihrer Überführung in die gemeinsame Sprache OpenUSD weiterhin als hilfreiche Ergänzung des dreidimensionalen Modells. Die Integrationsplattform stellt sicher, dass dieser Ansatz für alle erzeugten Assets gilt.
Use Case: Kollaborativ und in Echtzeit planen
Effiziente Planung und Betrieb gelingen nur, wenn Fertigung, Intralogistik, Ergonomie, Gebäudeplanung etc. eng zusammenarbeiten, effektiv kommunizieren und ein gemeinsames Verständnis haben. Mithilfe des Industrial Metaverse können die Fachmodelle verschiedener Disziplinen in einem Gesamtmodell dargestellt werden. Dabei ermöglicht es OpenUSD insbesondere, die dynamischen Aspekte einer Fabrik realitätsnaher darzustellen als dies bei statischen Gebäudemodellen beim Building Information Modelling (BIM) der Fall ist.
Der Demonstrator zeigt, wie unterschiedliche Teams in einem gemeinsamen Kontext planen und entscheiden – mit einer einheitlichen Datenbasis statt unvollständigen Informationen und unnötigen Doppelarbeiten. In einer gemeinsamen Planungsbesprechung können Kollisionen und Varianten besprochen werden. Eine Live-Kopplung sorgt dafür, dass die Auswirkungen von Änderungen sofort sichtbar werden. Mithilfe dieser Kollaborationsfunktionen können Projekt- und Werksleiter gemeinsam mit ihren Teams ihre Prozesse und Ressourcen auf eine neue Art und Weise planen und optimieren.
Fazit und Ausblick
Der Demonstrator entstand aus der Überzeugung, dass ein funktionierender Demonstrator mehr aussagt als abstrakte Konzeptfolien. Er soll das Potenzial einer Demokratisierung der Daten im Industrial Metaverse nachvollziehbar aufzeigen. Durch ein offenes Datenformat und interoperable Tools wird das Industrial Metaverse von einem Buzzword zur produktiven Realität. Der konkrete Nutzen ergibt sich aus:
- Geschwindigkeit: schnellere Iterationen und Entscheidungen
- Transparenz: Live-Kopplung, Integrationsmodell als Single-Point-of-Truth
- Risiko-Reduktion: digital abgesicherte Entscheidungen, frühzeitige Konflikterkennung.
- Zusammenarbeit: Aufbrechen von Silos, Kollaboration im digitalen Raum.
Auf Basis des gezeigten Demonstrators werden wir weitere, ambitioniertere Use Cases entwickeln, praxisnah testen und demonstrieren. Den Möglichkeiten sind dabei grundsätzlich kaum Grenzen gesetzt. Die Anwendungen reichen von der Erzeugung synthetischer Daten (zum Beispiel zum Training von fahrerlosen Transportsystemen) über XR-Anbindungen (zum Beispiel für Mitarbeiterschulungen) bis hin zu generativer KI (zum Beispiel zur Erstellung verschiedener Gebäudeentwürfe).
Machen Sie Ihre Fabrikplanung fit für die Zukunft und das Industrial Metaverse. Das Fraunhofer IPA hilft Ihnen gerne – vom Quick-Check bis zur Ausgestaltung Ihrer Toolchain.
Serie »Digitale Planungswerkzeuge«
In mehreren Serien von interaktiv-Beiträgen gibt das Forschungsteam Fabrikplanung und Wertstromdesign Einblicke in verschiedene Themenschwerpunkte. Erschienen ist in dieser Serie bereits:
Ihre Ansprechpartner
Alexander Kronschnabl
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsteam Fabrikplanung und Wertstromdesign
Telefon: +49 711 970-3558
Christian Kaucher
Forschungsteamleiter Fabrikplanung und Wertstromdesign
Telefon: +49 711 970-1865
