Absicherung strategischer Entscheidungen in der Fabrikplanung mit Vorstudien

Fabrikhalle (Symbolbild)

Quelle: Universität Stuttgart IFF/Fraunhofer IPA, Foto: Stephan Maier

Absicherung strategischer Entscheidungen in der Fabrikplanung mit Vorstudien

Strategische Entscheidungen wie der Aufbau einer neuen Fabrik im Ausland stellen ein hohes unternehmerisches Risiko dar. Um in solchen Fällen schnell zu einer validen Entscheidungsgrundlage zu kommen, ohne sich dabei in detaillierten Planungen zu verlieren, bietet sich die Durchführung einer Vorstudie an.

Veröffentlicht am 01.08.2024

Lesezeit ca. 7 Minuten

Bei grundlegenden Entscheidungen liegen die jeweiligen Lösungsoptionen zum Teil nicht auf der Hand oder sind nur schwer einzuschätzen. Auf eine zeit- und kostenintensive vollständige Planung will man aufgrund vieler Unsicherheiten, bis hin zur Unsicherheit, ob das Projekt überhaupt durchgeführt werden sollte, jedoch zunächst verzichten. In solchen Fällen bietet sich die Durchführung einer sogenannten Vorstudie an. Dabei handelt es sich um ein der Planung vorgelagertes Projekt.

Vorstudien zu strategischen Entscheidungen in einer dynamischen Umwelt

Dabei müssen fabrikplanerische Vorstudien trotz der bestehenden Unsicherheiten beispielsweise hinsichtlich des Produktdesigns oder der Stückzahlen dennoch valide Informationen für das Management liefern. Typischerweise sind dabei insbesondere Investitionsausgaben (CAPEX), Betriebskosten (OPEX) sowie die Umsetzungsdauer von Interesse. Zudem dient das erstellte Layout als Ausgangsbasis für die Suche nach geeigneten Grundstücken. In Bezug auf produktseitige und finanzielle Fragestellungen sind Unternehmen in der Regel intern gut aufgestellt. In fabrikplanerischen Fragen ist ein externer Blick jedoch oft hilfreich, um aus eingefahrenen Denkmustern auszubrechen und gänzlich neue Optionen systematisch zu durchdenken.

Im Ergebnis liefern fabrikplanerische Vorstudien fundierte Informationen, auf deren Basis das Management im Anschluss eine Entscheidung über das weitere Vorgehen im Projekt treffen kann. Das Fraunhofer IPA hat dazu ein auf dem Systems Engineering basierendes Vorgehen entwickelt, welches eine systematische Durchführung von Vorstudien unterstützt. Dabei kann das Vorgehen individuell an die spezifischen Bedarfe und den bestehenden Informationsstand angepasst werden.

Schnell zu fundierten Entscheidungen mit dem methodischen Vorgehen des Fraunhofer IPA

Das Vorgehen des Fraunhofer IPA besteht aus den drei Hauptphasen »Zielsuche«, »Lösungssuche« und »Auswahl« entsprechend des Problemlösungszyklus aus dem Systems Engineering. Die Abbildung zeigt das in zahlreichen Vorstudien bewährte Vorgehen des Fraunhofer IPA im Überblick mit den einzelnen Planungsinhalten.

Innerhalb der Zielsuche erfolgt die Ermittlung der benötigten Planungsgrundlagen einschließlich der Prozesskette. Hier werden zudem bei Bedarf in Abstimmung mit den Entscheidern des Unternehmens Annahmen, beispielsweise bezüglich der Stückzahlen, getroffen, die für das weitere Vorgehen benötigt werden. Damit sind die Prämissen für den Planungsprozess geklärt.

In der anschließenden Lösungssuche werden zunächst eventuell zu treffende grundsätzliche technologische Fragestellungen untersucht und beantwortet. Dabei kann das Fraunhofer IPA bei Bedarf auf Fachexperten aus unterschiedlichen Bereichen wie beispielsweise der Lackiertechnik zurückgreifen. Im Anschluss erfolgt die Entwicklung eines groben Produktions- und Logistikkonzepts. Dieses wiederum dient als Basis für die Festlegung und Dimensionierung der Funktionseinheiten der Fabrik. Mit Hilfe der Prozesskette, des Produktions- und Logistikkonzepts sowie der dimensionierten Funktionseinheiten können im Anschluss die Layouts unterschiedlicher Lösungen ausgestaltet werden.

Konkretisierung der Aufgabenstellung
Quelle: Fraunhofer IPA

Das Vorgehen des Fraunhofer IPA zur Durchführung von Vorstudien

Abschließend erfolgt in der Auswahl-Phase die Bewertung der Lösungsvarianten, die Wahl einer Vorzugsvariante sowie die Schätzung der damit verbundenen Kosten und der Termine. Dem Vorgehen vorangestellt ist ein optimaler Workshop zur Konkretisierung der Aufgabenstellung. Die Erfahrung hat gezeigt, dass auch die beteiligten Akteure oft noch unsicher sind, was genau zur Entscheidung ansteht.

Die beiden typischen Anwendungsfälle für Vorstudien

Fabrikplanerische Vorstudien sind grundsätzlich immer dann sinnvoll, wenn die Entscheidung über das weitere Vorgehen mit dem aktuellen Erkenntnisstand nicht fundiert getroffen werden kann. Dabei lassen sich im Wesentlichen zwei Fälle unterscheiden, in denen fabrikplanerische Vorstudien insbesondere durchgeführt werden sollten:

  1. Eine Vorstudie sollte durchgeführt werden, wenn mehrere Lösungsalternativen, die gegebenenfalls zum Startzeitpunkt noch gar nicht im Detail bekannt sind, verglichen werden sollen. Typische Beispiele sind hier die Entscheidung zwischen der Erweiterung eines bestehenden Standortes und dem Aufbau eines neuen oder die Entscheidung über die geeignete Fertigungstiefe in einem neuen Werk. Eine Vorstudie stellt dabei sicher, dass der beste Lösungsansatz in einer Hauptstudie ausgearbeitet werden kann. Die Abbildung zeigt beispielhaft einen Vergleich zwischen einer Erweiterung und einer Neuplanung als grundsätzliche Planungsvarianten.
  2. Eine Vorstudie sollte durchgeführt werden, wenn zwar die grundsätzliche Stoßrichtung eines Projektes bekannt ist, das Unternehmen jedoch unsicher ist, ob es sich um einen lohnenswerten Business-Case handelt. Ein typisches Beispiel eines solchen Falls ist die Entscheidung über den Einstieg in die Fertigung eines neuen Produktes, welches sich signifikant von den bisherigen Produkten des Unternehmens unterscheidet. In einem solche Fall liefert eine Vorstudie schnell Erkenntnisse zu notwendigen Investitionen, Betriebskosten sowie der zu erwartenden Umsetzungsdauer und ermöglicht so die Berechnung des Business-Case.
Brownfield oder Greenfield
Quelle: Fraunhofer IPA

Beispielhafter Vergleich zweier grundsätzlich unterschiedlicher Lösungskonzepte

In beiden Fällen sind die Entscheidungen häufig mit grundlegenden technologischen Fragestellungen verbunden, oder es kommen neue Technologien hinzu, für die sich das Unternehmen noch im Kompetenzaufbau befindet. In solchen Fällen greift das Fraunhofer IPA entweder auf eigene Technologieexperten zurück oder findet im Netzwerk aus über 70 weiteren Fraunhofer-Instituten den passenden Experten.

Vorstudien als solide Basis für die weitere Planung

Im Ergebnis der Vorstudie liegen ein grobes Produktions- und Logistikkonzept, dimensionierte Funktionseinheiten sowie Layouts der Lösungsalternativen vor. Die Lösungsalternativen sind bewertet und die Vorzugsvariante steht fest. Weiterhin sind Investitionsbedarf und Betriebskosten abgeschätzt sowie ein grober Zeitplan der Umsetzung skizziert. Das Management verfügt somit über alle benötigten Informationen, um über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Das Produktions- und Logistikkonzept kann zudem als Grundlage erster Lieferantengespräche dienen, während das erstellte Layout eine gute Basis für die Standortsuche darstellt.

Übersicht Vorgehen
Vorstudien in der bewährten Fraunhofer IPA-Fabrikplanungsmethodik (Quelle: Fraunhofer IPA)

Das Ergebnis der Vorstudie weist eine optimale Anschlussfähigkeit an die bewährte Fabrikplanungsmethodik des Fraunhofer IPA auf, sodass die Planung im Fall eines positiven Planungsentscheids nahtlos fortgeführt werden kann. Die Abbildung zeigt hierzu das Gesamtvorgehen bis zum fertigen Fabrikkonzept im Überblick.

Zum Weiterlesen

Erlach, K.; Berchtold, M.-A.; Gessert, S.; Kaucher, C.; Leipoldt, C.; Ungern-Sternberg, R. (2021): Konzeptionelle Vorstudien in der Fabrikplanung. Ein methodischer Gestaltungsansatz basierend auf dem Systems Engineering. In: Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb 116 (1-2), S. 39–43. DOI: 10.1515/zwf-2021-0008.

     

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