Quelle: Fraunhofer IPA/Foto: Rainer Bez
Neue Herausforderungen bei der Lackieranlagenplanung
Ein neues Jahrzehnt hat begonnen – eine Gelegenheit, seinen Blick darauf zu richten, welchen Herausforderungen wir uns in der industriellen Lackiertechnik aktuell und in Zukunft stellen müssen. Aus unserer täglichen Arbeit mit Unternehmen aus den unterschiedlichen Branchen ergeben sich einige besonders richtungsweisende Themen.
Flexibilität und Modularität
Um den Ansprüchen möglichst vieler Kunden gerecht zu werden und im zunehmenden Wettbewerb bestehen zu können, wird die Produktvielfalt in vielen Bereichen erhöht. Das kann zur Folge haben, dass sich auch die Taktzeiten der einzelnen Prozessschritte verändern. In klassischen Lackierlinien sind diese Variationen nur bedingt realisierbar. Darum sind modulare Anlagen, die auf das jeweilige Produkt abgestimmte Prozesse ermöglichen, zunehmend gefragt. So kann produktspezifisch ohne Effizienzverlust zum Beispiel sowohl eine einschichtige als auch vierschichtige Lackierung aufgetragen werden mit jeweils unterschiedlichen Bearbeitungszeiten. Es ist auch möglich, zu Beginn mit wenigen Modulen die Produktion zu starten und später bei erhöhtem Kapazitätsbedarf zusätzliche Module in Betrieb zu nehmen.
Digitalisierung
Bei der Planung und Optimierung von Lackierprozessen und -anlagen rückt Industrie 4.0 immer stärker in den Fokus. In den (teil-)automatisierten Anlagen werden Komponenten in der Regel mit Hilfe von Feldbussystemen gesteuert. Durch eine vergleichsweise einfache Erweiterung der Komponente um Sensoren, Speichermedien und Software können Daten gespeichert, verarbeitet und ausgewertet werden.
Beispielsweise können zur Dosiertechnikoptimierung geeignete Sensoren installiert und damit Rückschlüsse auf Fehler im Lackierergebnis automatisch erkannt werden. Die dadurch generierten Daten können weiterhin für die vorbeugende Instandhaltung verwendet werden. Die Erfüllung der Dokumentationspflicht der produzierten Teile (Nachvollziehbarkeit, Chargenverfolgung, IATF 16949 etc.) kann mit den gespeicherten Daten ebenfalls sichergestellt werden. Ein weiterer Vorteil bietet die automatisierte Ermittlung von Ist-Lösemittelbilanzen aus dem Prozess zur Vorlage bei der zuständigen Behörde. Hier kann frühzeitig eine Tendenz zur Überschreitung des Schwellenwertes erkannt werden. Infolge dessen können notwendige Schritte rechtzeitig geplant und umgesetzt werden, um die Umweltbelastung zu minimieren.
Die Umsetzung der Digitalisierung in den Prozessen der Lackierbetriebe bietet nicht nur den großen Konzernen Einsparpotenziale. Auch mittelständische Unternehmen können durch Digitalisierung ihrer Prozesse eine nachhaltige Produktivitätsverbesserung erreichen.
Nachhaltigkeit
Viele Staaten und Unternehmen wollen innerhalb des nächsten Jahrzehnts den CO2-Ausstoß deutlich reduzieren oder gar klimaneutral werden. Deutschland hat sich das Ziel gesetzt, bis 2030 die Treibhausgasemissionen um 55 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 1990 zu senken. Große deutsche Unternehmen setzen sich ebenfalls ambitionierte CO2-Emissionsziele. Zum Beispiel will Mercedes-Benz Cars bereits 2022 in den eigenen deutschen Werken CO2-neutral produzieren.
Die Lieferkette soll sukzessive ebenfalls in diese Strategie einbezogen werden. CO2-Ziele werden zu einem Schlüsselkriterium für Lieferantenentscheidungen. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, werden Investitionen in die Nachhaltigkeit zunehmend wichtiger. Der ganzheitliche Ansatz schließt dabei alle Faktoren ein, die eine Auswirkung auf den ökologischen Fußabdruck des Unternehmens haben. Neben der Energieeffizienz der Anlagen kann durch intelligente Steuerung der Anlagen, vorbeugende Instandhaltung und Reduzierung von Ausschuss die Effizienz der Produktion erhöht werden.
Ihr Ansprechpartner
Dr. rer. nat. Volker Wegmann
Leiter der Gruppe Lackierprozessentwicklung
Telefon: +49 711 970-1753