Kreislaufwirtschaft in der Elektromobilität

Demontageroboter am Fraunhofer IPA

Ein Forschungsteam am Fraunhofer IPA hat einen Roboter entwickelt, der Batteriesysteme demontieren kann. (Quelle: Fraunhofer IPA/Foto: Rainer Bez)

Kreislaufwirtschaft in der Elektromobilität

Mit dem Siegeszug der Elektromobilität steigen auch die Rücklaufmengen gebrauchter Batterien und Motoren. Methoden der Kreislaufwirtschaft helfen, die Umweltbelastung gering zu halten und wertvolle Rohstoffe zurückzugewinnen. Am Fraunhofer IPA entwickeln Wissenschaftler maschinelle Lernverfahren und Roboter, die dabei unterstützen.

Veröffentlicht am 28.05.2025

Lesezeit ca. 8 Minuten

Die Elektromobilität gewinnt zunehmend an Bedeutung und verändert die Art und Weise, wie Mobilität gestaltet wird. Mit dem Wandel hin zu Elektroantrieben und der prognostizierten Zunahme des Marktanteils von Elektrofahrzeugen steht die Mobilitätsbranche vor weitreichenden Veränderungen – trotz des Einbruchs der Neuzulassungen von Elektroautos in Deutschland im Jahr 2024 im Vergleich zu den Vorjahren. Dieser Übergang betrifft nicht nur den Automobilsektor, sondern auch andere Mobilitätsformen wie Elektrofahrräder. Bis 2035 sollen in der EU im Rahmen des Klimaschutzes keine Autos mit einem Verbrennungsmotor mehr neu zugelassen werden. Dabei sollen vor allem batterieelektrische Fahrzeuge die Verbrenner ablösen. Der Anteil der E-Autos an den Neuzulassungen in der EU ist seit 2020 kontinuierlich gewachsen und erreichte 2023 rund 14,6 Prozent (ACEA Auto 2025). Auch die Absatzmenge von E-Bikes in Europa wächst kontinuierlich und erreichte im Jahr 2023 5,16 Millionen Stück (Statista Mobility Market Insights 2024).

Zunahme gebrauchter Batterien und Elektromotoren

Das Wachstum der Elektromobilitätslösungen bringt jedoch mittel- und langfristig eine steigende Menge nicht mehr einsatzfähiger Fahrzeuge mit sich. Mit der zunehmenden Verbreitung von Elektrofahrzeugen und Elektrofahrrädern wird erwartet, dass auch die Rückläufermengen von Batterien und Elektromotoren in den kommenden Jahren erheblich zunehmen. Studien gehen davon aus, dass die Menge zu recycelnder Batterien in Europa im Jahr 2030 eine Menge von 420 Kilotonnen und 2040 eine Menge von 2100 Kilotonnen erreichen wird (Fraunhofer ISI 2023). Dieser Anstieg stellt eine große Herausforderung, aber auch eine Chance dar: Die Wiederaufbereitung und das Recycling dieser Komponenten ermöglichen es, wertvolle Rohstoffe zurückzugewinnen und somit die Abhängigkeit von Primärrohstoffen zu verringern.

Reparieren, wiederaufbereiten, weiterverwenden

Die Produktion von Schlüsselkomponenten wie Batterien, Elektromotoren und Leistungselektronik ist auf Rohstoffe angewiesen, die häufig als kritisch eingestuft werden. Materialien wie Lithium, Kobalt und Seltene Erden sind entscheidend für die Herstellung dieser Bauteile. Da ihre Beschaffung stark von globalen Lieferketten abhängt, die wiederum anfällig für geopolitische und wirtschaftliche Unsicherheiten sind, zeigt sich die Notwendigkeit, die Resilienz zu stärken. Gleichzeitig ist die Förderung dieser Rohstoffe mit erheblichen ökologischen und sozialen Kosten verbunden. Hier bietet die Kreislaufwirtschaft eine Lösung, indem sie die Wiederverwendung und das Recycling von Materialien fördert, wodurch die Abhängigkeit von neuen Rohstoffen reduziert und die Belastungen durch deren Abbau verringert werden.

Für Elektrofahrzeuge bedeutet dies, dass Batterien nach Ende ihrer Nutzung repariert, wiederaufbereitet, für stationäre Anwendungen weiterverwendet oder recycelt werden können, um Rohstoffe zurückzugewinnen. Ähnliches gilt für Elektrofahrräder, deren Motoren und Batterien zunehmend Ansätze für eine Kreislaufführung erfordern. Das Fraunhofer IPA forscht in mehreren Projekten an der Umsetzung der Kreislaufwirtschaft in der Produktion.

Zweites Leben für Elektromotoren

Elektromotoren werden derzeit am Ende ihres Einsatzes häufig geschreddert und recycelt. Dadurch können Seltene Erden und andere kritische Rohstoffe häufig nicht in ausreichender Qualität zurückgewonnen werden. Außerdem werden höherwertige Kreislaufstrategien wie Remanufacturing oder Reuse durch diesen Ansatz verhindert. Diese höherwertigen R-Strategien will das Fraunhofer IPA zusammen mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) sowie den Firmen Schaeffler, Bright Testing, iFakt und der Riebesam in dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderten Forschungsprojekt »REASSERT« ermöglichen. Die Projektpartner aus Forschung und Industrie arbeiten derzeit daran, weitere Werterhaltungsstrategien wie Repair, Reuse und Remanufacturing umzusetzen.

Werterhaltungsstrategien bei unsicheren Verschleißzuständen

Die Einführung von Werterhaltungsstrategien für Elektromotoren ist mit einer hohen Komplexität verbunden, da die Motoren in unterschiedlichen Zuständen und zu verschiedenen Zeitpunkten zurückkehren. Diese Unsicherheiten hinsichtlich des Zustands und des Rückkehrzeitpunkts resultieren aus verschiedenen Faktoren. Entscheidend sind dabei unterschiedliche Nutzungsprofile wie das Fahrverhalten der Nutzer. So erfordert das Fahren in Stadtverkehr häufige Start-Stopp-Vorgänge, Langstreckenfahrten auf Autobahnen hingegen eher nicht. Und auch Umwelteinflüsse spielen eine Rolle. Wer sein Auto ganzjährig nutzt, muss mit der Salz- und Rostbelastung im Winter leben. Wer nur im Sommerhalbjahr fährt, muss das nicht. Auch Unterschiede zwischen einem Privatkauf, bei dem das Fahrzeug oft so lange wie möglich genutzt wird, beispielsweise 20 Jahre, und anderen Nutzungsmodellen, wie Leasing, bei dem das Auto nach einer festgelegten Laufzeit, zum Beispiel nach drei Jahren, zurückgegeben wird, tragen zu diesen Unsicherheiten bei.

Zerlegter Elektromotor
Zerlegter Elektromotor mit relevanten Teilen für die Aufbereitung im Rahmen des Remanufacturing. (Quelle: Fraunhofer IPA)

Mit Künstlicher Intelligenz zur passenden Werterhaltungsstrategie

Um die unsicheren Rückläufermengen und Verschleißzustände besser zu bewältigen, kommen im Forschungsprojekt REASSERT Prognosen zum Einsatz, die auf maschinellen Lernverfahren basieren. Darüber hinaus wird ein KI-gestütztes Entscheidungsunterstützungstool entwickelt, das später dabei hilft, für einen gebrauchten Elektromotor die passende Werterhaltungsstrategie auszuwählen. Dabei wird neben ökonomischen und ökologischen Kennzahlen auch der Zustand des Rückläufers berücksichtigt. Je nach Nachfrage und Zustand der Motoren kann es vorkommen, dass sie nicht wiederverwendet werden können. Der Aufwand und die Kosten für eine Aufarbeitung variieren erheblich, beispielsweise zwischen einem Lagerschaden, bei dem die reibungslose Rotation der beweglichen Teile des Motors nicht mehr funktioniert, und einem Statorschaden. Bei dieser Form des Motorschadens ist der unbewegliche Teil des Elektromotors beschädigt. Ob eine Reparatur oder ein Remanufacturing wirtschaftlich sinnvoll ist, hängt von einer genauen Bewertung des Schadens ab. Allerdings bedeutet der Defekt einer einzelnen Komponente nicht zwangsläufig das vollständige Aus für den Motor. Einzelne Teile können, sofern ihre Qualität den Anforderungen entspricht, durchaus weiterverwendet werden. Für die Untersuchungen wird unter anderem das RemanLab am Standort Bayreuth des Fraunhofer IPA genutzt.

Auf Grundlage der während des Forschungsprojekts gewonnenen Erkenntnisse wird eine vollständige Prozesskette zur Aufarbeitung von Elektromotoren entwickelt, die von der Eingangsprüfung bis zur End-of-Line-Prüfung reicht. Zudem wird das Design zukünftiger Elektromotoren so angepasst, dass neben dem Recycling auch verbesserte Werterhaltungsstrategien angewendet werden können, um die Nutzungsdauer von Elektromotoren und deren Komponenten zu verlängern.

Robotergestützte Demontage von Batteriesystemen

Ein weiteres großes Thema der Kreislaufwirtschaft in der E-Mobilität sind die Batterien. Derzeit werden gebrauchte Batterien in der Regel geschreddert. Das Verfahren kann sich kritisch auf die Umwelt auswirken und erhält auch nicht den Wert der Rohstoffe. Eine Demontage und Weiterverwendung der Batterie und ihrer Komponenten ist im Sinne der Kreislaufwirtschaft sinnvoller. Am Fraunhofer IPA besteht die Möglichkeit in einer Laborumgebung die Demontage von Batterien zu beforschen. Aus technischer Sicht umfasst die Demontage von Batteriesystemen das Prüfen, Lösen von Verbindungsstellen und das Abziehen beziehungsweise Schneiden von Kabeln. Abhängig vom angestrebten R-Pfad lässt sich die Demontage in drei wesentlichen Methoden einordnen: zerstörungsfreie Demontage, semi-zerstörende Demontage und zerstörende Demontage.

Mit Maschinellem Lernen und Sensorik demontieren

Am Fraunhofer IPA wurde im Rahmen des Forschungsprojekts »DeMoBat« die weltweit erste großskalig robotergestützte Demontageanlage konzipiert, entwickelt und aufgebaut. Aufgrund des flexiblen Aufbaus der Demontageanlage lassen sich schnell verschiedene Varianten von Batteriesystemen demontieren. In der Roboterprogrammierung wurden produktunabhängige Skills für die Demontageschritte entwickelt und implementiert. Durch den Einsatz von Maschinellem Lernen in Kombination mit Sensorik lassen sich Verbindungstechniken und Verständnis über den Löseprozess von Komponenten schnell in den Demontageprozess integrieren.

Geschäftsmodelle entwickeln und evaluieren

Neben diesen technologischen Lösungsansätzen in der Kreislaufwirtschaft beforscht das Fraunhofer IPA noch weitere Aspekte der Kreislaufwirtschaft. So werden beispielsweise neue Geschäftsmodelle entwickelt, die in Kombination mit digitalen Tools neue Möglichkeiten schaffen und den strategischen Zielen der Kreislaufwirtschaft dienen. Außerdem werden die Auswirkungen von Geschäftsmodell- und Projektumsetzungen in der Kreislaufwirtschaft quantifiziert. Mittels des Life Cycle Assements (LCA) werden Projekte nach ihren Umweltauswirkungen bewertet oder ihre wirtschaftlichen Auswirkungen untersucht. Neben der Bearbeitung öffentlich geförderter Projekte können so auch direkte Herausforderungen der Industrie gelöst werden.

Hinweis der Redaktion

Dieser Text ist zuerst Ende Februar 2025 in leicht veränderter Form in der Zeitschrift »Digital Manufacturing« erschienen.

Ihre Ansprechpartner

Anwar Al Assadi

Forschungsteamleiter Roboterprogrammierung für kraftgeregelte (De-)Montage
Telefon: +49 711 970-1264

Chantal Rietdorf

Mitarbeiterin des Forschungsteams Sustainability Modeling and Analytics
Telefon: +49 711 970-1584

Paul Schmidhäuser

Geschäftssegmentleiter Kreislaufwirtschaft
Telefon: +49 711 970-1901

Raphael Wolf

Mitarbeiter des Forschungsteams Remanufacturing Operations and Management
Telefon: +49 921 78516 415

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