Quelle: Fraunhofer IPA
Design for Automation: Disruptive Veränderung oder lokale Optimierung?
Wie wird der Produktionsstandort Deutschland wieder wettbewerbsfähig? Johannes Wößner, seit über 30 Jahren freier Mitarbeiter im Forschungsteam »Automatisierungsplanung«, berät Firmen rund um Automatisierungspotenziale und ein automatisierungsfreundliches Produktdesign. Hier erklärt er, warum oft gezielte kleine Veränderungen am Produkt genügen, um den Prozess effizienter und kostengünstiger gestalten zu können.
Veröffentlicht am 10.04.2025
Lesezeit ca. 4 Minuten
»Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und trotzdem zu hoffen, dass sich etwas ändert.« – Albert Einstein
Automatisierung ist in vielen Anwendungskontexten ein Erfolgsfaktor, um gesellschaftlichen Herausforderungen wie dem demografischen Wandel, dem Arbeitskräftemangel oder auch dem hohen Kostendruck in einem Hochlohnland wie Deutschland zu begegnen. Gerade Massenproduktionen (»Low Mix High Volume«) profitieren hier bei bestimmten Prozessschritten. Allerdings gilt dies oft noch nicht für die Montage. So wurde beispielsweise 2023 nicht einmal jeder zehnte weltweit neu gekaufte Roboter für Fügeprozesse genutzt. Es gibt hier also einiges Optimierungspotenzial durch Automatisierung oder generell durch effizientere Prozessabläufe. Und dabei gilt: Es braucht oft nicht immer direkt den großen Wurf der vollautomatisierten Montage. Es kann schon viel bringen, beim Produktdesign zu beginnen (Design for Assembly and Automation).

Die aktuellen Herausforderungen der globalen Wirtschaft treiben viele Unternehmen jedoch in eine Wartehaltung. Entwicklungskosten und Investitionen in Produktionseinrichtungen sind schwer kalkulierbar, da sich deren Amortisation nicht mehr zuverlässig abschätzen lässt. Gleichzeitig zeigt sich immer häufiger, dass in Deutschland entwickelte Produkte in anderen Märkten – etwa in China – weiterentwickelt und zu vermeintlichen »Dumping-Preisen« zurück auf den europäischen Markt gebracht werden. Die Solarindustrie ist nur eines von vielen prominenten Beispielen.
Hürden und Chancen am Standort Deutschland
Neben den bekannten hohen Energiekosten sehen sich Unternehmen in Deutschland mit einem undurchsichtigen Geflecht aus Regularien und Nachweispflichten konfrontiert, die die Produktionskosten in die Höhe treiben. Dabei sollte der Fokus darauf liegen, Wertschöpfung durch effiziente Produktionsprozesse zu erzielen – nicht durch Bürokratie.
Trotz dieser Herausforderungen bietet Deutschland klare Standortvorteile: Hier können innovative Produktideen schnell, kontrolliert und auf qualitativ höchstem Niveau umgesetzt werden. Entscheidende Stellschrauben sind dabei ein fertigungsgerechtes Produktdesign, eine optimierte Auftragssteuerung, effiziente Intralogistik und ein zielgerichteter Automatisierungsgrad.
Wettbewerbsvorteile durch gezielte Optimierungen
Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Produkte attraktiver gestaltet werden – zum Beispiel durch individuelle, technische Zusatzfunktionen, die Kunden echten Mehrwert bieten. Klassische Serienfertigung in starren Stückzahlen verliert an Bedeutung, weshalb Investitionen in eine vollständige Automatisierung variantenspezifischer Prozesse wirtschaftlich immer genau abgewogen werden sollten. Das Ziel ist nicht maximale Automatisierung, sondern maximaler Unternehmensgewinn.
Kernvoraussetzungen sind:
- Fertigungsgerechtes, modulares Produktdesign: »Der beste Prozess ist der, den es gar nicht gibt.«
- Klare logistische Strukturen: Flexibilität und Effizienz müssen miteinander harmonieren.
- Angepasster Automatisierungsgrad: Nicht Automatisierung um jeden Preis, sondern dort, wo sie wirtschaftlich und technisch sinnvoll ist.

Perspektivwechsel durch externe Expertise
Unternehmen fällt es oft schwer, bestehende Strukturen kritisch zu hinterfragen. Langjährig gewachsene Abläufe werden als unveränderbar betrachtet, obwohl sie längst nicht mehr zeitgemäß sind. Doch schon einfache, konstruktive Fragen von außen können den Blick auf das Wesentliche schärfen.
Ein gemeinsames Verständnis zwischen Produktentwicklern und Produktionsplanern von Beginn an ist essenziell. Dies ermöglicht, Produkte direkt mit Blick auf eine prozesssichere und automatisierte Fertigung zu gestalten. Hier setzt das Know-how des Fraunhofer IPA an. In über 400 Workshops weltweit hat das Team der Automatisierungsplanung sein Wissen zum Thema »Design for Automation« erfolgreich vermittelt – von der Konsumgüterindustrie bis zur Automobilproduktion.
Systematische Analyse der Automatisierungspotenziale
Mit der Automatisierungs-Potenzialanalyse (APA) hat das Fraunhofer IPA zudem ein kompaktes, aussagekräftiges Verfahren entwickelt, um innerhalb weniger Tage technisch und wirtschaftlich sinnvolle Automatisierungsmöglichkeiten zu identifizieren. Der Ansatz ist unabhängig von der Branche und wurde bereits erfolgreich für Produkte wie Kühlschrankkomponenten, Batteriezellen oder LKW-Bauteile angewendet.
In einer wirtschaftlich »ruhigeren« Phase wie der aktuellen empfiehlt es sich, die eigenen Produktionsstätten einer objektiven APA zu unterziehen. Auch künftige Produkte sollten von Beginn an auf Automatisierbarkeit und entsprechend einem Design for Automation optimiert werden.
Fazit: Disruptive Veränderung oder lokale Optimierung?
Eine disruptive Veränderung ist nicht immer notwendig. Oft reichen gezielte Optimierungen bei der Produkt- und Produktionsflussgestaltung, um den Produktionsstandort Deutschland wieder wettbewerbsfähig zu machen. Dabei dürfen die Bedürfnisse der Kunden nie aus dem Fokus geraten. Denn am Ende entscheidet immer der Markt – und der schätzt Produkte, die innovativ sind, effizient hergestellt werden und auf den Punkt die Anforderungen erfüllen.
Mehr Informationen zur APA: https://www.ipa.fraunhofer.de/apa
Der Text ist zuerst in der Zeitschrift »IndustryArena eMagazine« erschienen.
Ihre Ansprechpersonen
Johannes Wößner
Freier Mitarbeiter des Forschungsteams Automatisierungsplanung
Telefon: +49 171 4776331
Katharina Barbu
Forschungsteamleiterin Automatisierungsplanung
Telefon: +49 711 970 1466