Quelle: Adobe Stock/Foto: Gorodenkoff, Bearbeitung: Fraunhofer IPA
Wertstromorientierte Potenzialanalyse
Die Wertstromkarte bietet einen einzigartigen Überblick, um Verbesserungspotenziale im bestehenden Produktionsablauf zu identifizieren. Eine Halbierung der Produktionsdurchlaufzeit und eine Steigerung der Mitarbeitereffizienz um 25 Prozent sind oft keine unrealistischen Ziele.
Veröffentlicht am 04.09.2025
Lesezeit ca. 5 Minuten
Von Tim Teriete
Die Wertstromkarte erzeugt Transparenz über den tatsächlichen Produktionsablauf
Die Wertstrommethode hat sich über Jahrzehnte in der Industrie bewährt, um Produktionsabläufe zu optimieren und diese schlanker zu gestalten. Zentrales Instrument ist dabei die Wertstromkarte (Abbildung 1). Sie stellt den gesamten Produktionsablauf mit ihrer einfachen Symbolik transparent dar. Dies beinhaltet
- die Kunden mit der von der Produktion abzudeckenden Kundennachfrage und die Zulieferer mit der Versorgung der Produktion mit Rohmaterialien und Zukaufteilen (rot),
- die Produktionsprozesse mit den unmittelbar produzierenden Tätigkeiten (blau),
- die Geschäftsprozesse mit den Aufgaben der Auftragsabwicklung und deren Verbindungen über Informationsflüsse (gelb) sowie
- die Materialflüsse zwischen den Produktionsprozessen einschließlich der Bestände (grün).
Zweitägiges Seminar über Wertstromdesign
Wertstromdesign neu gedacht! Erlernen Sie in dem zweitägigen Seminar »Wertstromdesign für komplexe Produktionen« die Grundlagen der klassischen Wertstrommethode, wie Sie diese mit methodischen Ergänzungen auf komplexe Produktionen anwenden und dabei Ihre digital verfügbaren Daten nutzen können. Anhand eines selbst zu bearbeitenden Praxisbeispiels sammeln Sie schon während des Seminars erste Erfahrungen mit der Methode und können so die Anwendbarkeit im eigenen Unternehmen einschätzen.
28./29. Oktober 2025
jeweils 08:30 – 17:00 Uhr
Fraunhofer IPA, Stuttgart

Die Wertstromanalyse findet direkt auf dem Shopfloor statt, um den tatsächlichen Ist-Zustand der Produktion zu erfassen. Bearbeitungszeiten werden mit einer Stoppuhr eigenständig gemessen, Bestände vor Ort gezählt und weitere Kennzahlen in Gesprächen mit den Mitarbeitenden erhoben, die die jeweiligen Prozessschritte ausführen. Mit Abschluss der Datenaufnahme geben zwei einfache Vergleiche Hinweise auf Verbesserungspotenziale:
- Ein Vergleich von Bearbeitungszeit und Durchlaufzeit auf Basis der Zeitlinie zeigt die Entfernung vom theoretischen Idealzustand.
- Ein Vergleich der Prozessleistungen (Zykluszeiten) mit dem Kundenbedarf (Kundentakt) zeigt Engpässe und Verschwendungen.
Potenzialanalyse bei FIBRO
Ein Forschungsteam vom Fraunhofer IPA hat eine wertstromorientierte Potenzialanalyse bei der Firma FIBRO am Standort Haßmersheim. Dabei konnten die Produktionsdurchlaufzeiten je nach Produktfamilie um 36 Prozent bis 67 Prozent reduziert und die Mitarbeitereffizienz um etwa 25 Prozent gesteigert werden.
Auf Basis dieser Momentaufnahme wird mithilfe systematischer Gestaltungsrichtlinien im Wertstromdesign anschließend ein optimierter Ziel-Zustand entwickelt. Zur Verkürzung der Durchlaufzeit werden Prozesse nach Möglichkeit integriert, zu einer Fließfertigung verkettet oder FIFO-verkoppelt. FIFO steht dabei für »first in, first out«, also für eine Einhaltung der Reihenfolge. Dies gewährleistet eine kurze, definierte Durchlaufzeit. Zur Optimierung der Auslastung werden die einzelnen Prozessleistungen am konkreten Kundenbedarf ausgerichtet.

Für Detailanalysen können nach Bedarf weitere Experten hinzugezogen werden
Um auch direkt Konzepte für ausgewählte Einzelprozesse im Zielzustand zu entwickeln, binden wir vom Forschungsteam Fabrikplanung und Wertstromdesign je nach Projektbedarf unsere Experten aus den Forschungsteams Fertigungssystemplanung, Montageplanung oder Automatisierungsplanung ein. So gibt die Wertstromanalyse eine gute Transparenz, für welche Einzelprozesse sich Detailanalysen potenziell lohnen. Beispiele für den Hintergrund solcher Detailanalysen sind der Einsatz neuer Fertigungstechnologien, optimierte Montagekonzepte oder Automatisierungspotenziale. Eine solche frühzeitige Bewertung und Konzeption ermöglicht es uns, die Ergebnisse direkt in das Wertstromdesign einfließen zu lassen. Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit stellen wir sicher, dass alle relevanten Aspekte berücksichtigt und eine maßgeschneiderte Lösung für die Produktion unseres Kunden entwickelt wird.
Potenzialübersicht und Maßnahmenplanung

Die in der Wertstromanalyse und den Detailanalysen identifizierten Potenziale werden abschließend bewertet, priorisiert und in eine Maßnahmenplanung überführt. Diese beschreibt eine schrittweise Umsetzung in Richtung Soll-Zustand. Schnell realisierbare Quick-Wins mit geringem Aufwand und kurzer Umsetzungszeit werden unmittelbar angegangen. Größere Maßnahmen, wie beispielsweise die Einführung neuer Technologien, bieten zwar ein hohes Potenzial, erfordern jedoch meist einen höheren Umsetzungsaufwand und eine längere Vorlaufzeit. Diese werden daher als langfristige Projekte eingeplant und entsprechend vorbereitet. So entsteht ein strukturierter Fahrplan hin zum Soll-Zustand, der sowohl kurzfristige Verbesserungen als auch nachhaltige Veränderungen berücksichtigt.
Literaturquelle
Klaus Erlach (2020): Wertstromdesign. Der Weg zur schlanken Fabrik. 3. Aufl. Berlin: Springer Vieweg
Serie über Fabrik- und Produktionsplanung
Eine Serie von Beiträgen beschäftigt sich in interaktiv mit verschiedenen Themen aus dem Forschungsbereich Fabrik- und Prozessgestaltung. Erschienen ist in dieser Serie bereits:
Ihre Ansprechpartner
Tim Teriete
Projektleiter im Forschungsteam Fabrikplanung und Wertstromdesign
Telefon: +49 711 970-1210
Christian Kaucher
Forschungsteamleiter Fabrikplanung und Wertstromdesign
Telefon: +49 711 970-1865